Plagiatsvorwürfe: Dr. Althusmann unter Verdacht

Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann soll in seiner Doktorarbeit abgekupfert haben. Der Beschuldigte streitet einen Täuschungsversuch ab und spricht von "handwerklichen Fehlern".

Räumt bislang lediglich "handwerkliche Fehler" ein: Bernd Althusmann (CDU). Bild: dpa

HANNOVER taz | Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) steht unter Täuschungs-Verdacht. Wie die Zeit in ihrer aktuellen Ausgabe berichtet, soll Althusmann bei seiner Doktorarbeit "im großen Stil" gegen wissenschaftliche Regeln verstoßen haben.

Althusmann selbst sprach am Mittwoch in Hannover von "möglichen handwerklichen Fehlern". Einen Täuschungsversuch aber streitet er ab. Einen Tag vor Erscheinen des Artikels hatte er kurzfristig zur Pressekonferenz geladen - kein leichter Gang für den derzeitigen Vorsitzenden der Kultusministerkonferenz (KMK). Die soll als Deutschlands wichtigstes bildungspolitisches Gremium die "Qualitätsstandards in Schule und Hochschule" sichern.

"Überrascht" hätten ihn die Vorwürfe, sagte Althusmann am Mittwoch und nestelte sichtlich nervös mit den Händen. Konsequenzen für seine Ämter schloss er zunächst aus. Die Universität Potsdam werde seine Arbeit in den kommenden vier Wochen prüfen. Dem wolle er sich stellen.

114 Seiten aus Althusmanns Dissertation über "Prozessorganisation und Prozesskoordination in der öffentlichen Verwaltung" hat die Zeit von zwei Geistes- und Sozialwissenschaftlern untersuchen lassen. Die wurden auf 88 Seiten fündig: Stumpf aus fremden Werken abgeschrieben, ohne dies anzugeben, hat Althusmann demnach zwar nicht - anders als etwa der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). "Auf versteckte Weise" aber seien fremde gedankliche Leistungen als eigene ausgewiesen worden, heißt es.

Puzzleartig hat Althusmann demnach fremde Sätze zu neuen Passagen zusammengesetzt. Ursprungstexte habe er lediglich kosmetisch verändert, um sie nicht direkt zitieren zu müssen. Als mögliche Erklärung führt die Zeit die "kargen wissenschaftlichen Eigenleistungen" an: Mehr als die Hälfte der Dissertation besteht aus Zitaten - sie wärme "Altes auf statt Neues zu präsentieren", so die Zeit.

"Nach bestem Wissen" habe er seine Arbeit angefertigt, sagt dagegen Altshumann selbst. Er sieht in den nun erhobenen Vorwürfen vor allem eine "wissenschaftliche Auseinandersetzung um die korrekte Zitierweise". An die ihm damals bekannten Zitierstandards habe er sich stets gehalten.

2007 hatte Althusmann die Promotion als externer Doktorand der Uni Potsdam abgegeben. Zuvor hatte er Betriebswirtschaftslehre an einer privaten Fachhochschule studiert, dazu Diplom-Pädagogik an der Bundeswehruniversität Hamburg. Dort entstand auch der Kontakt zu seinem Doktorvater Dieter Wagner. Sieben Jahre lang betreute Wagner - heute Vizepräsident der Uni Potsdam - das Werden von Althusmanns Dissertation.

Das von der Zeit beauftragte Gutachten beanstandet 44 Prozent der 322 untersuchten Fußnoten in Althusmanns Dissertation.

Häufigster Vorwurf ist das verschleierte Kopieren, bei dem Originaltexte leicht verändert als indirekte Zitate übernommen werden.

Interpretationen von Texten aus Besprechungsaufsätzen soll Althusmann übernommen haben, ohne sich mit dem Originaltext zu befassen.

Internetsuchmaschinen finden diese Verstöße nicht, da sie - anders als Copy-and-Paste - sehr kleinteilig sind.

Die Arbeit ansehen kann sich jeder auf der Homepage www.bernd-althusmann.de, wo sie seit Mittwoch steht.

"Unter widrigen Umständen" sei die entstanden, sagt Althusmann im Rückblick. Als Abgeordneter saß er währenddessen im Landtag, zuletzt als Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion. In seinem Wahlkreis Lüneburg war er Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes.

Das 270-Seiten-Werk habe er in den Ferien und nach Feierabend geschrieben. Aus "innerem Ehrgeiz", wie er sagt, und um sich "Chancen für ein Leben nach der Politik" zu sichern.

Ein Versuch wissenschaftlicher Höchstleistung sei die Doktorarbeit nie gewesen. Entsprechend ist das Ergebnis: Bewertet wurde sie mit "rite" für ausreichend - der niedrigstmöglichen Note bei Promotionen. Mehrfach habe Althusmann die Arbeit überarbeiten müssen, schreibt die Zeit. Schließlich habe man "das Ding dann über den Zaun gehoben", zitiert sie einen Prüfer.

Auf so viel Zuvorkommen kann Althusmann in Hannover nicht setzen: Die SPD-Fraktion fordert, dass Althusmann zum Ergebnis der Prüfung der Arbeit durch die Uni Potsdam die KMK-Präsidentschaft ruhen lässt. Sollte ihm ein Verstoß gegen wissenschaftliche Grundsätze nachgewiesen werde, ist Althusmann aus Sicht der Landtagsgrünen als Minister "nicht zu halten".

Die schwarz-gelbe Landesregierung will zunächst das Prüfungsergebnis in einem Monat abwarten. Althusmann selbst sagt, er bereite sich zwar auf harte Wochen vor, sehe der Prüfung aber gelassen entgegen: "Titel sind nur Schall und Rauch."

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