Plattenladen aus Schanze weggentrifiziert: Die Brutalen und die Ewigen

Nachdem der Mietvertrag des Plattenladens Zardoz am Schulterblatt nicht verlängert wurde, wird an seiner Stelle wohl ein Konzern kommen, der längst da ist.

Michael Sorgenfrei steht in seinem Plattenladen Zardoz im Schanzenviertel.

„Schanze nicht in die Tonne treten“: Plattenhändler Sorgenfrei Foto: Miguel Ferraz

HAMBURG taz | Die G20-Krawalle hatte Zardoz noch unversehrt überstanden. Es gab keine Plünderungen, die Fensterscheiben trugen nicht mal Kratzer davon. Doch nun muss der Plattenladen im Schanzenviertel zu Ende Juli schließen.

Der Mietvertrag am Schulterblatt wurde dem Fachgeschäft nicht verlängert, wie Mitinhaber André Sorgenfrei bestätigt. Im Sommer muss Zardoz daher nach gut 15 Jahren aus den Erdgeschossräumen des Kontorhauses Montblanc raus. Laut Sorgenfrei hatte der Eigentümer der Immobilie kein Interesse, das Mietverhältnis fortzuführen: „Wir haben uns bemüht, zumindest irgendwie ins Gespräch zu kommen. Aber die haben von vornherein abgeblockt.“

„Die“, das ist die niederländische Firma D&R Investments B.V., in Deutschland vertreten durch die Hannoversche Anwaltskanzlei Bethge & Partner. D&R Investments hat sich auf die Vermietung von Ladenflächen für große Einzelhandelsketten wie Deichmann, H&M und Zara spezialisiert und besitzt zahlreiche Grundstücke in ganz Deutschland. Neben dem Kontorhaus gehören dem Investor weitere Flächen auf dem Schulterblatt, in denen im Frühling die Dessouswarenhäuser Hunkemöller und Love Stories eröffnen werden.

Der Einzug immer neuer Filialisten rund um das Schulterblatt ist im Viertel und darüber hinaus schon lange Thema. Laut dem Linken-Abgeordneten Norbert Hackbusch betrifft die gegenwärtige Neuvermietung nicht nur Vinyl-Freunde: „Es ist ein Drama für den Stadtteil. Wir erwarten den nächsten abgeleckten Klamottenladen“, sagte Hackbusch der taz.

Plattenhändler André Sorgenfrei sieht das Ganze weniger dramatisch: „Mich persönlich trifft das natürlich, es ist scheiße und ich würde hier gerne noch länger bleiben“, sagt der gebürtige Hamburger. „Aber es ist ein Laden, der Vertrag ist ausgelaufen und wir haben ihn nicht verlängert bekommen.“ Trotzdem würde Sorgenfrei „das Schulterblatt jetzt nicht per se in die Tonne treten“. Schließlich gebe es nach wie vor von Inhabern geführte Geschäfte, die zudem auch Hauseigentümer seien.

Miete rauf, Laden weg

Sorgenfrei hatte 1987 seine Lehre bei Zardoz begonnen und ist dort geblieben. Seit einigen Jahren ist er Gesellschafter. Der Laden heißt nach einen Sci-Fi-Film mit Sean Connery, in dem die Brutalen gegen die Ewigen kämpfen. Die „Zardoz Vertriebsgesellschaft für Bild- und Tonträger“ eröffnete den ersten Laden 1982 in der Osterstraße, weiter ging es in die Lange Reihe, an den Altonaer Bahnhof und in die Ottenser Hauptstraße. Meist wurde mit der Zeit die Miete zu hoch und Sorgenfrei musste mit seinen Platten umziehen. „Wir waren schon immer so ein bisschen vom Pech verfolgt“, sagt er.

Zu dem Pech gehört, dass Läden wie Zardoz die Viertel für Investoren attraktiver machen und anschließend oft einer zahlungskräftigeren Klientel weichen müssen. Das ist die sprichwörtliche Gentrifizierung „in a nutshell“.

Dabei läuft das Geschäft mit dem alten Tonträgerformat derzeit gut. Der Bundesverband der Musikindustrie hat für 2016 gegenüber dem Vorjahr ein Plus von 46 Prozent im Verkauf von Schallplatten bilanziert. Auch der Anteil am Gesamtmarkt wächst. Seit dem Vinyl-Boom der vergangenen Jahre ist die Schallplatte auch als Lifestyle-Produkt wieder gefragt.

Sorgenfrei kennt den Trend aus dem Alltag. Er weiß, dass für limitierte und aufwendig gestaltete Produkte viel Geld ausgeben wird. Dennoch: „Diesen Trend zur Fetischisierung, zu teuren Box-Sets, hier noch einmal in Gelb mit roten Sprengseln – geil finde ich das nicht.“

Seit April ist die H&M-Tochter Weekday Nachbar von Zardoz. Weekday bietet laut seiner Webseite für ein „dynamisches Shopping-Erlebnis“ auch DJ-Kabinen an. D&R Investments preist das „trendy Hamburg Schanzenviertel“, in dem der Rubel rollt. Auf dem Schulterblatt heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass die Zardoz-Fläche mit der von Weekday für den Einzug des Mutterschiffs H&M zusammengelegt werden könnte.

Hätte, hätte, Modekette

Dass eine weitere Kette in die frei werdenden Räume geht, steht wohl außer Frage. Wer genau dort einziehen wird und ob die Entmietung im Kontorhaus Montblanc noch andere Parteien betrifft, wollten aber weder D&R noch Bethge & Partner beantworten. Auch H&M mochte sich dazu nicht äußern.

Für André Sorgenfrei geht es unabhängig davon weiter: Zardoz wird die Plattenladendichte im Karoviertel weiter erhöhen, in der Marktstraße am Ölmühlenplatz. Die neuen Nachbarn werden Wohnungsmieter sein, daher müsse er in Zukunft auf die kleinen Freiheiten verzichten. Ob es etwa weiterhin Ladenkonzerte geben werde, sei nicht absehbar. Und: „Hier am Schulterblatt reiße ich manchmal nach Feierabend die Anlage richtig auf. Das schockt schon.“

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