Podium auf der Genoversammlung: „Rassismus beim Namen nennen”

Die Gesellschaft driftet nach rechts, die Parteien ziehen mit. Vier Expertinnen diskutierten zum Thema „Engagiert gegen Rechts”.

v. l. Katrin Gottschalk, Golschan Ahmad Haschemi, Sabine am Orde, Bilkay Öney, Bianca Klose und Barbara Junge Bild: taz

Übergriffe auf Geflüchtete, ein AfD-Wahlerfolg nach dem anderen, gesellschaftsfähige Islamophobie: Auch mit diesen Themen beschäftigte sich die Genossenschaftsversammlung der taz – im Rahmen der Podiumsdiskussion „Engagiert gegen Rechts“.

Der Parteitag der AfD am 1. Mai 2016 in Stuttgart sei eine Kampfansage gewesen, sagte die stellvertretende taz-Chefredakteurin Barbara Junge - „die Übernahme eines Datums“. „Sichtbare rechte Tendenzen sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, ergänzte ihre Kollegin Katrin Gottschalk.

Vier Expertinnen diskutierten auf dem Podium: Sabine am Orde, taz-Redakteurin und AfD-Expertin, Golschan Ahmad Haschemi von der Amadeu Antonio Stiftung, Bianca Klose von der Mobilen Beratungsstelle gegen Rechts und Bilkay Öney, SPD-Politikerin und von 2011 bis 2015 Integrationsministerin in Baden-Württemberg.

AfD macht Ressentiments gesellschaftsfähig

„Die AfD schafft es, einen Bogen vom extremen rechten Rand zu den Milieus in der Mitte der Gesellschaft zu spannen“, sagte Sabine am Orde. Dadurch würden Ressentiments gesellschaftsfähig. „Dass Frauke Petry sagt, der Begriff völkisch sei doch nicht so schlimm, hätte man sich vor zehn Jahren nicht vorstellen können“, sagte am Orde.

Viele Menschen ließen sich von rassistischen Ressentiments leiten, sagte Golschan Ahmad Haschemi. Die Bildungsreferentin der Amadeu Antonio Stiftung fördert antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit – und setzt dabei vor allem bei den PädagogInnen an. „Man kann gut soziale Arbeit studieren, ohne sich mit gesellschaftlichem Antisemitismus und Rassismus zu beschäftigen“; sagte Haschemi. „Da fehlt es an Wissen.“ So würden oft etwa rechte Codes nicht erkannt, oder Jugendliche mit Migrationshintergrund automatisch als besonders anfällig für Homophobie oder Antisemitismus eingeschätzt.

„Es gibt in Berlin einen breiten Konsens gegen Rechtsextremismus“, sagte Bianca Klose von der Mobilen Beratungsstelle. „Aber der Rassismus bewegt sich in der Mitte der Gesellschaft. Er kommt von den Nachbarn und Freunden, mit denen man über Flüchtlinge oder Pegida spricht.“ Gerade in dem Feld gebe es ein Hemmnis, Rassismus klar beim Namen zu nennen.

Den Dialog suchen

„Wenn wir Menschen den Spiegel vorhalten und das Bild, das sie sehen, ist hässlich, dann will ja keiner hinsehen“, widerspricht die SPD-Politikerin Bilkay Öney. Stattdessen müsse man Strategien finden, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und eine Annäherung zu ermöglichen. Und man müsse ehrlich aussprechen, dass manchen Geflüchteten erst die Grundwerte buchstabiert werden müssten.

Am Orde steht Gesprächsversuchen kritisch gegenüber. Viele seien für Fakten gar nicht zugänglich. „Der Spitzenkandidat der AfD in Mecklenburg-Vorpommern hat Wahlkampf damit gemacht, dass er Angst vor der Errichtung eines Kalifats in seinem Bundesland hat, sagte sie. Halbwahrheiten und auch ganz klare Lügen, die im Netz verbreitet würden, seien für einige dieser Leute die Hauptinformationsquelle. Auch am Orde ist dafür, ehrlich zu sagen, wo es Probleme gibt – aber man dürfe dabei nicht die Argumente der Rechten aufnehmen. „Ich wünsche mir, dass die Parteien denen ganz klar eine Abfuhr erteilen. Aber das passiert nicht.“

Rechter Mob bekommt was er will

„Die Stimmung ist tatsächlich gekippt“, sagte auch Klose. Gerade nach der Kölner Silvesternacht „wurden im Affentempo so viele Errungenschaften der Asylpolitik wieder eingerissen, und zwar aus Angst vor dem rechten Mob auf der Straße.“ Und der bekomme, was er wolle, sagte sie mit Blick auf Bautzen, wo nach Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen Geflüchteten und Nazis eine Ausgangssperre für die Jugendlichen verhängt wurde. „Da werden aus vorauseilendem Gehorsam rechte Inhalte von den etablierten Parteien durchgesetzt“, kritisierte Klose.

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Wie also sieht es aus, das richtige Engagement gegen Rechts? „Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen als Teil der Dominanzgesellschaft in die Schusslinie stellen und Rassismus klar benennen“, sagt Haschemi.

Denn über die Ängste von Menschen of Color, von migrantischen oder jüdischen Menschen – um die gehe es in der Diskussion nie. Dem Rechtspopulismus müsse das eigene Bild einer solidarischen Gesellschaft offensiv entgegengestellt werden, sagte Klose. „Ich hoffe, dass nach Berliner Abgeordnetenhauswahl nicht wieder von einer 'Protestwahl' die Rede ist. Die Leute haben nicht Protest gewählt, sie haben rechten Protest gewählt, der die Rechte von Minderheiten in Frage stellt.“

DINAH RIESE, Volontärin der taz