Polen und die Kölner Silvesternacht: Schadenfreude und Häme

Die Ereignisse sind für viele ein gefundenes Fressen, um so richtig vom Leder zu ziehen: gegen Migranten und „unschuldige deutsche Frauen“.

Polens Außenminister Witold Waszczykowski

Auch Polinnen unter Opfern? Witold Waszczykowski macht sich Sorgen. Foto: reuters

WARSCHAU taz | Geradezu genussvoll-hämisch diskutiert Polen die Sexualdelikte in der Silvesternacht in Köln. Voll Schadenfreude ziehen die Leute auf der Straße, in Cafes, aber auch im Parlament über die „unschuldigen deutschen Frauen“ her, die nun von „den Arabern“ begrabscht und vergewaltigt würden.

„Haben wir es nicht gesagt? Lasst bloß die Flüchtlinge nicht ins Land!“, hört man immer wieder. Statt Mitgefühl für die Ofer zu zeigen, wird ständig über die „muslimischen Männer“ diskutiert, für die angeblich christliche Frauen Freiwild seien.

Es ist geradezu symptomatisch, dass Polens Außenminister Witold Waszczykowski in seinem sorgenvollen Brief an seinen Amtskollegen in Berlin, Frank-Walter Steinmeier, mit keinem Wort auf die Opfer an sich eingeht, sondern lediglich wissen will, ob unter den Opfern auch „Staatsangehörige Polens“ sind.

In einer der Mini-Talkshows, die im polnischen Fernsehen besonders beliebt sind, fragt ein Moderator mehrfach nach, ob es nicht doch ein von oben verordnetes Schweigekartell für die deutschen Medien gegeben habe. Immerhin verbiete es die Political Correctness in Deutschland, schlecht über Migranten, Araber und Muslime zu berichten.

WDR? ZDF? Egal!

Außerdem habe Bundeskanzlerin Angela Merkel ja „diese Araber“ nach Deutschland eingeladen, sei also mit schuld an den zahlreichen sexuellen Übergriffen in Köln und anderen Städten. Den Hinweis, dass es in der Bundesrepublik ein föderales System gebe und es zuerst Aufgabe des WDR in Köln war, ausführlich über die Kölner Silvesterfeier zu berichten, nicht aber unbedingt des ZDF mit Sitz in Mainz, versteht der Moderator nicht. Er fragt noch einmal nach, wer dem ZDF die Anweisung gegeben habe, nicht schon am am Silvesterabend selbst über die Ausschreitungen in Köln zu berichten.

In einer anderen Talkshow erklärt ein eingeladener Gast, dass deutsche Frauen gerne die attraktiv aussehenden arabischen Männer heiraten und es dann später in der Ehe schnell bereuen würden. Angeblich käme es in arabisch-deutschen Ehen häufig zu ganz besonders brutalen Vergewaltigungen.

Voll Fürsorge für die polnisch-christlichen Frauen fragt der Moderator noch, ob es richtig sei, nur christliche Flüchtlinge aufzunehmen und die muslimischen den anderen EU-Staaten zu überlassen. Ganz so, als wären christliche Männer – egal, ob beispielsweise ein Pole, Deutscher, Spanier, Franzose – die reinsten Engel, die selbst unter Alkoholeinfluss nie eine Frau sexuell belästigen oder vergewaltigen würden. Die Zahlen der Polizeistatistik sprechen da wohl eine andere Sprache.

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