Politik macht sprachlos: „Die zucken mit den Schultern“

Reinhard Goltz kämpft für sein Institut für Niederdeutsche Sprache: Die einschlägigen Bundesländer wollen die Finanzierung streichen

Zweisprachigkeit? Das sparen sich die Länder lieber. Foto: Bernd Wüstneck (dpa)

taz: Varianten des Niederdeutschen – sorbisches, saterfriesisches und ostfriesisches Platt – sind in die EU–Charta als schützenswerte Kulturgüter aufgenommen worden. Kann man rechtlich deren Förderung einstellen, Herr Golz?

Reinhard Golz: Nein. Die Länder müssen diese Sprachen fördern. Aber wie sie das tun, ist ihnen freigestellt. Und es gibt keine Sanktionen, wenn sie es nicht tun. Wir haben Kontakt zum Europarat aufgenommen und am 16. Juni wird die Streichung der Gelder für unser Institut dort auf der Tagesordnung stehen. Dann bekommen die Länder viel Schimpfe. Die zucken mit den Schultern. Das war’s.

Opernhäuser werden als Kulturgut gefördert, ohne einen quantifizierbaren „Nutzen“ nachweisen zu müssen. Warum ist das beim Kulturgut Sprache anders?

Im Gegensatz zur Oper hängt der niederdeutschen Sprache historisch ein negatives Image an. Nicht das gehobene Bürgertum spricht Platt, sondern einfache Leute sprechen es und die haben ein weniger präsentierbares Selbstbewusstsein. Für junge Leute gehört Niederdeutsch heute zu ihrem Leben. Das zählt leider nicht.

Wurden Sie von der Ankündigung der Etatkürzungen durch die Länder überrascht?

Völlig überrascht. Wir wurden am 11. Mai zu einem Gespräch in die Bremer Bürgerschaft geladen. Da bekamen wir einen Schrieb in die Hand gedrückt, in dem uns die Entscheidung der Länder mitgeteilt wurde.

62, ist seit 2003 Leiter des Instituts für Niederdeutsche Sprache und Mitglied im Beirat Niederdeutsch beim Schleswig-Holsteinischen Landtag. In seiner Freizeit hat er das Platt bis 2005 in der Kabarettgruppe „De Scheewe Dree“ gepflegt.

Haben sie dann sofort Alarm geschlagen und alle niederdeutschen Sprecher mobilisiert?

Nein.

Das Institut für Niederdeutsche Sprache (INS) in Bremen wird von Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und dem Bund mit jährlichen Zuschüssen gefördert.

Bei einem Jahresetat von 400.000 Euro machen die staatlichen Zuschüsse fast 60 Prozent aus. Zumindest die Länder wollen ihre Gelder im kommenden Jahr einsparen. Dies wäre das Ende des Instituts.

Als einzige zentrale Sammelstelle für alle Literaturen in niederdeutschen Sprachen initiiert das INS Lehrpläne für Schulunterrichte in den vier Bundesländern; es führt Tagungen und Forschungsprojekte durch.

Jede Privatperson kann sich in Fragen aller norddeutschen Sprachvarianten an das Institut wenden.

Sind Sie zu unterwürfig? Furcht statt Forderung?

Wenn wir Protest machen, schlagen wir vielleicht Türen zu. Wir haben immer auf Dialog gesetzt. Die Sorben haben gesagt, wenn die Gelder gekappt werden, stürmen wir das Parlament. Wir haben in der letzten Zeit in vielen Gremien diskutiert. Wie wir von der Politik behandelt wurden, das ist manchmal schon deprimierend. Trotzdem, wir setzen weiter auf Dialog.

Aber was heißt das angesichts des möglichen Aus Ihrer Einrichtung?

Das ist ja gerade das Problem. Hier würden Arbeitsplätze wegfallen. Das sollen die Politike­r erst mal begründen. Bislang ist uns kein inhaltlicher Grund gesagt worden, warum die Gelder gekürzt werden. Unsere Bibliothek, ein absoluter Schatz der niederdeutschen Sprache, was passiert mit der, wenn wir dicht machen müssen? Die kann man unserem Verein ja nicht so einfach wegnehmen. Das ist ein regionales Monument.

Die Bremer Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) hat angedeutet, das INS möglicherweise als bremische Einrichtung fortzuführen.

Tja, tja. Hat sie gesagt. Wenn es denn so wäre, hätten wir nicht einmal die Hälfte unseres Etats zur Verfügung. Das ist grotesk. Abgesehen von der Tatsache, dass sich unsere Arbeit gerade dadurch auszeichnet, Länder übergreifend verschiedene Sprachvarianten zu dokumentieren und zu fördern.

Wie sieht das aus?

In Hamburg und Bremen ist die niederdeutsche Sprachförderung per Gesetz vorgeschrieben. Wir haben Lehrpläne für die Schulen erarbeitet. In Niedersachsen ist das nicht der Fall. Aber wir haben auch in Niedersachsen Unterrichtsmaterialien mitentwickelt und wir stehen mit der Landesregierung im Gespräch für eine weitere Verankerung der Regionalsprachen in Schulen und Kindergärten.

Wenn die Länder ihre Subventionen einstellen, wo fließt das eingesparte Geld dann hin?

Fließt es dann überhaupt? Selbstverständlich gibt es regionale Vereinigungen, die sich freuen würden, mehr Unterstützung zu bekommen. Denn alle Institutionen sind generell unterfinanziert. Ich bin mir aber nicht sicher, ob einmal eingespartes Geld tatsächlich wieder für Sprachförderung ausgegeben würde.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.