piwik no script img

PolitikerkinderGloria-Sophie, Joe, ihr Wissen und Friedrich Merz

Politikernachwuchs blamiert sich bei einer Fernsehshow. Schadenfreude? Ein bisschen billig. Aber sogar der Kanzler will manches nicht wissen.

Kann nicht alles wissen: Gloria-Sophie Burkandt, Tochter von Markus Söder Foto: Felix Hörhager/dpa

P roSieben hat mich voll erwischt: Gloria-Sophie Burkandt, wer soll das sein? Die schlauen taz-Leser:innen wussten es sicher schon immer: Sie ist die Tochter von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder. Wegen ProSieben gilt Gloria-Sophie Burkandt jetzt als eine von Deutschlands dümmsten Promis. Übrigens neben Joe Laschet, dem Sohn von Armin Laschet, der früher mal Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen war.

Gloria-Sophie und Joe haben meine volle Sympathie. Ich finde es falsch, das Model und den Mode-Influencer zu dissen, nur weil sie mal was nicht gewusst haben. Etwas nicht zu wissen, ist total menschlich, niemand weiß alles. Und warum sollte eine junge Frau auf einem Bild einen toten Ex-Kanzler erkennen, wenn es doch nur einen Mann mit echtem Kanzlerwert gibt? Ihren Vater.

Apropos Kanzler. Selbst Helmut Kohl wusste nicht alles, ganz lange wollte er jedenfalls nicht gewusst haben, wer was wie mit den schwarzen Kassen bei der CDU zu tun hatte. Dabei sollte ein Kanzler – im Übrigen auch eine Kanzlerin – immer mehr wissen als alle anderen. Auch die Politiker:innen, die uns regieren, müssen viel wissen. Schließlich entscheiden sie über unser Leben. Aber ich weiß nicht, ob sie wissen, wie das echte Leben aussieht.

Markus Söder muss doch wissen, wie ungesund und unsexy dieses fetischhafte Wurstgefresse ist

Nehmen wir nur den aktuellen Kanzler. Friedrich Merz will 5 Milliarden Euro beim Bürgergeld kürzen, dabei sollte er wissen, dass das aus vielen Gründen gar nicht möglich ist. Und weiß die Union, dass sie viel Geld ganz leicht woandersher kriegt? Ich weiß, woher: Zwei Drittel der Menschen hierzulande, auch Unions-Anhänger:innen, finden Steuererhöhungen für Reiche gut. Oder Markus Söder – um noch einmal auf ihn zurückzukommen. Er muss doch wissen, dass dieses „fetischhafte Wurstgefresse“ ungesund, unökologisch und dazu noch unsexy ist.

Ich weiß nicht, ob Po­li­ti­ke­r:in­nen immer wissen, was sie so versprechen. Die Grünen hatten mal die Kindergrundsicherung versprochen. Gibt es die? Na, also. Vielleicht verhält es sich mit dem Wissen von Po­li­ti­ke­r:in­nen so wie mit dem von Journalist:innen: Es ist so groß wie ein Ozean und so flach wie eine Pfütze. Die taz hat keine Ahnung von Zahlen. Aus Milliarden werden Millionen und aus Milligramm schon mal Gramm.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Ganz klar: Wir müssen alle mehr wissen. Aber wissen Sie vielleicht, warum es jetzt kein eigenständiges Bildungsministerium mehr gibt?

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • Die Autorin hat recht. Man muss nicht alles wissen. Darin sind wir in dieser Republik geübt. Nach 45 will keiner was gewusst haben.

  • Hätte man in der Shit-Show bei Pro7 Vater UND Nachwuchs eingeladen, wären die Antworten wohl nicht besser ausgefallen.



    Politpromis sind deshalb so bekannt und in einer Führungsrolle, weil sie herausragend gut vernetzt sind und nicht weil sie vor Intellekt nur so strotzen.



    Denn wäre Söder so wahnsinnig intelligent, würde er tatsächlich einmal über seine Essgewohnheiten sinnieren und Armin Laschet würde seine Rolle im Achener Karneval nicht permanent vor sich hertragen.



    Jetzt die Kinder so vorzuführen ist einfach nur schäbig. Allerdings sind die Kids es ja auch selber schuld. Geltungsdrang (ich bin im TV) war noch nie wirklich hilfreich.

  • TV als Indoktrinator der Nation 😇



    🥸🥳🖥🤪⚽️🖥⚽️🤠🖥🤯😝besser🔌ziehen...

  • Oh nein - ich will gar nicht alles wissen!

  • Es gibt ja noch die allwissenden Journalisten - aber auf die hört ja keiner.