Politikverbot für die Handelskammer: Des Präses unzulässige Rede

Das Verwaltungsgericht erklärt Passagen aus der Silvesterrede des Hamburger Handelskammer-Chefs Fritz-Horst Melsheimer für rechtswidrig.

Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer spricht 2015 bei der Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns.

Übers Ziel hinaus geschossen: Fritz Horst Melsheimer in seiner Silvesterrede Foto: dpa

HAMBURG taz | Wenn es bei dem Urteil bleibt, werden sich Vertreter der Handelskammer in Zukunft in öffentlichen Debatten viel vorsichtiger äußern müssen. Das Verwaltungsgericht hat jetzt eine Reihe von Passagen aus der Silvesteransprache des Handelskammer-Präses Fritz-Horst Melsheimer für rechtswidrig erklärt. Dabei ging es um Äußerungen zur Flüchtlingskrise und zur Bewerbung für die Olympischen Spiele. Geklagt hatte der Immobilienunternehmer Bernd C. Jakovlev mit Unterstützung des Bundesverbands für freie Kammern.

Bei dem Streit geht es darum, inwiefern die Handelskammer, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, zu allgemeinpolitischen Themen Stellung nehmen darf. Kritiker wie Jakovlev meinen nein: Denn der Kammer müssen alle Unternehmen zwangsweise beitreten, soweit es sich nicht um Handwerksbetriebe handelt – von der kleinen Werbefirma über die taz bis zu Airbus.

Nicht vertretbare Parteinahme

Jakovlev hält es deshalb nicht für vertretbar, mit welcher Deutlichkeit der Handelskammer-Präses sich bei seiner Silvesterrede vor der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns etwa gegen einen Rückkauf der Energienetze durch die Stadt eingesetzt hat und für die Olympiabewerbung. „Für viele Unternehmer ist es mittlerweile unerträglich, in welcher Weise die Kammer Stimmung macht“, sagt der Unternehmer.

Das Gericht gab ihm jetzt zu drei Vierteln recht: Äußerungen der Handelskammer müssten einen wirtschaftlichen Bezug haben und von der gebotenen Sachlichkeit sein, urteilten die Richter. Rechtswidrig sei, gemünzt auf die Flüchtlingsunterbringung, die Warnung vor Political Correctness und die Forderung nach Klartext; ebenso, dass von den europäischen Regierungschefs beim Schutz der Außengrenzen „die gleiche Geschäftigkeit wie im Dialog mit Griechenland gewünscht“ oder gegen Bedrohungen militärisches Engagement Deutschlands gefordert wird.

Die Handelskammer ist das vom Staat eingesetzte Selbstverwaltungsorgan der Hamburger Wirtschaft.

Für Handwerker gibt es analog die Handwerkskammer.

Kritik an den Kammern äußern: Der Bundesverband für freie Kammern, der sich gegen die Zwangsmitgliedschaft wendet, und das Bündnis „Die Kammer sind wir!“, das sich in Hamburg für mehr Demokratie und Transparenz innerhalb der Handelskammer einsetzt.

Nicht zulässig sei, das „Nein“ beim Olympiareferendum als Ausdruck eines „Hamburg-Syndroms“ zu kennzeichnen, mehr direkte Demokratie mit Unregierbarkeit in Zusammenhang zu bringen und eine Stärkung der repräsentativen gegenüber der direkten Demokratie zu verlangen.

Nur die Trauer um Olympia war erlaubt

Erlaubt war die Einschätzung, die gescheiterte Olympiabewerbung sei ein Debakel für die Wirtschaft und Hamburg dürfe nun nicht ins Koma fallen.

„Das ist eine Freude“, kommentierte Bernd Jakovlev das Urteil. Der Handelskammer warf er vor, sich im Prozess nicht auf einen Vergleich eingelassen zu haben. „Die Führung der Handelskammer setzt den Konfrontationskurs mit den Mitgliedern fort“, kritisierte er.

Die Kammer wies darauf hin, dass es ja Jakovlev sei, der geklagt habe. Die Passagen zur direkten Demokratie hätten sehr wohl Bezug zur Wirtschaft. Die Kammer behalte sich vor, das Oberverwaltungsgericht anzurufen.

CDU und FDP betonten, es gehöre zur Rolle der Kammer, sich einzumischen. Als Repräsentantin der Wirtschaft müsse sie auch als Ratgeberin und Mahnerin auftreten dürfen, sagte der CDU-Abgeordnete Michael Westenberger.

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