Politische Bildung in Niedersachsen: AfD darf mitspielen

Die AfD sitzt in Niedersachsen im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung. Die anderen Parteien wollen sie dort „aushalten“.

Peer Lilienthal am Rednerpult im Landtag

Sitzt jetzt im Kuratorium der Landeszentrale für politische Bildung: Peer Lilienthal (AfD) Foto: dpa

HANNOVER taz | In Niedersachsen hat die AfD nun auch Einfluss auf die Arbeit der Landeszentrale für politische Bildung. Der Abgeordnete Peer Lilienthal, ein Finanzbeamter aus Hannover, der sich aus seiner Zeit als Offizier noch die Mitgliedschaft im Freundeskreis Panzergrenadiertruppe bewahrt hat, hat für die AfD einen Sitz im neu gewählten Kuratorium der Landeszentrale bekommen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert das heftig: „Eine Partei, die für menschenverachtende Politik steht, darf sich nicht zum Kontrolleur der politischen Bildung in Niedersachsen aufschwingen“, sagt die Landesvorsitzende Laura Pooth.

Die Mitglieder des Kuratoriums bestimmt der niedersächsische Landtag für je eine Legislaturperiode. Im Gründungserlass der Landeszentrale ist festgelegt, dass Mitglieder aller Fraktionen im Kuratorium sitzen. Die Aufgabe der Mitglieder ist es, „die politische Ausgewogenheit“ der Landeszentrale sicherzustellen. Außerdem hat das Kuratorium bei der Festlegung der Arbeitsschwerpunkte ein Mitspracherecht.

Dieses Mal keine Gesetzesänderung

Pooth fordert, dass die Landtagsfraktionen „die Besetzungskriterien so verändern, dass die AfD künftig kein Mitglied des Kuratoriums stellen kann“. Diesem Gremium dürften nur Menschen angehören, „die sich eindeutig für Toleranz, Integration und Demokratie“ einsetzten.

Erst im Februar hatten SPD, CDU, Grüne und FDP gemeinsam beschlossen, dass die AfD keinen Sitz im Stiftungsrat der KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen bekommen sollte. Opferverbände hatten damals dagegen protestiert, dass die AfD beteiligt wird und gedroht, ihre Mitarbeit im Stiftungsrat zu beenden. „Es sollte den Überlebenden nicht zugemutet werden, dass sie mit Holocaustleugnern an einem Tisch sitzen müssen“, sagt die SPD-Abgeordnete Silke Lesemann. Deshalb sei das Gesetz über die Besetzung des Stiftungsrates geändert worden – zu Ungunsten der AfD.

Zwölf Jahre lang war Niedersachsen das einzige Bundesland ohne Landeszentrale für politische Bildung. 2004 hatte die schwarz-gelbe Landesregierung die Institution abgeschafft.

Die rot-grüne Landesregierung beschloss 2016 den Neuaufbau.

Direktorin Ulrika Engler sieht die Zusammenarbeit mit der AfD im Kuratorium gelassen: „Ich gehe davon aus, dass sich die AfD wie alle anderen Parteien konstruktiv einbringen und die Landeszen­trale als unabhängige Einrichtung begleiten wird.“

Bei der Landeszentrale liege der Fall aber anders. „Das ist eine Einrichtung, die aus dem Landtag heraus wächst.“ Deshalb müssten auch alle Fraktionen ihrer Stärke entsprechend vertreten sein, sagt Lesemann. „Wir können die AfD nicht von vornherein ausschließen, sondern müssen das aushalten.“

Ganz ähnlich sieht das die Abgeordnete Julia Hamburg von den Grünen. Auch sie betont, die Demokratie müsse es aushalten, dass ein AfD-Vertreter in dem Gremium sitze. Dass das so sei, sehe sie kritisch, sagt Hamburg. „Aber ich finde es auch kritisch, dass sie überhaupt in den Landtag gekommen sind.“ Der AfD-Abgeordnete Lilienthal sei im Kuratorium auf Mehrheiten angewiesen und könne nicht allein entscheiden, wie sich die Landeszentrale entwickele.

AfD soll etwas dazu lernen

Susanne Schütz, die für die FDP im Kuratorium sitzt, hofft, dass die AfD in der Landeszen­trale für politische Bildung noch etwas dazulernt: „Eine bessere 1:1-Beschulung in Sachen politischer Bildung als mit uns in diesem Gremium kann der Mann gar nicht kriegen.“

Darauf ist Peer Lilienthal nicht aus. Er kritisiert die GEW-Vorsitzende Pooth für ihre Anti-AfD-Position. Es sei richtig, dass in diesem Fall kein Gesetz geändert wurde, um die AfD heraus zu halten. „Die Repräsentanz der AfD im Parlament beschränkt sich nicht nur auf das Dasitzen“, sagt Lilienthal. Die Arbeit in solchen Gremien gehöre auch dazu.

„So ganz lupenrein ist das Demokratieverständnis nicht“, kritisiert der AfD-Vertreter die Gewerkschaftschefin. Er selbst fände es gut, dass die Landeszentrale gegen Rechtsextremismus vorgehe, sagt Lilienthal und fügt dann hinzu: „Ich finde es genauso wichtig, dass man gegen Linksextremismus arbeitet.“

Inhaltlich wolle er sich darauf aber nicht einschießen, sondern vor allem daran mitarbeiten, dass die Landeszen­trale im Netz künftig sichtbarer werde. „Die kommen im Grunde genommen nicht aus ihrer Filterblase raus.“ Damit kenne er sich als AfDler aus „und weiß auch, wie man da vielleicht raus kommt“.

Christian Hoffmann, der Pressesprecher der GEW, kann nicht nachvollziehen, warum die anderen Parteien der AfD den Sitz nicht streitig machen wollen. „Das ist kein beliebiges Thema, sondern es geht hier um die politische Bildung“, sagt er. Es gebe keinen Grund dafür, dass die AfD oder andere rechte Parteien, die irgendwann einmal ins Parlament einzögen, dabei überhaupt mitreden dürften. Die Regularien für die Besetzung habe der Landtag erst in der vergangenen Legislaturperiode ausgearbeitet. „Das Problem mit der AfD haben sie sich selbst eingebrockt.“

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