Volker Bajus über politische Erpressung: „Immer nur Gewinnoptimierung“

Der Düngemittelhersteller Kali und Salz will noch mehr Abfälle in Werra und Weser kippen, glaubt der grüne Umweltpolitiker Volker Bajus.

Nicht mehr Stand der Technik: Salzberge, wie dieser in der Nähe von Hannover, sollte es in Niedersachsen nicht mehr geben, wenn es nach den Grünen geht. Foto: Alexander Körner/dpa

taz: Herr Bajus, Sie werfen dem Düngemittelproduzenten Kali und Salz, kurz K+S, politische Erpressung vor. Warum?

Volker Bajus: Kali und Salz versenkt seine salzhaltigen Abwässer rund um die Förderstätten in Nordhessen seit Jahrzehnten nicht nur im Boden. Durch direkte Einleitungen versalzen auch die Flüsse Werra und Weser massiv. Allerdings ist die Erlaubnis für die Verpressung im Boden mit Anfang dieses Dezembers ausgelaufen. Trotzdem hat sich K+S nicht sonderlich um eine neue Genehmigung bemüht.

Was tut die Firma stattdessen?

K+S will sich unter Hinweis auf Betriebseinschränkungen und Arbeitsplatzverluste wohl auf einen Betriebsnotstand berufen. Statt auf umweltfreundliche Verfahren zu setzen, baut diese Aktiengesellschaft eine politische Drohkulisse auf.

Umweltschützer klagen bereits seit Jahrzehnten über die aus ihrer Sicht mangelhafte Müllentsorgung des Salzproduzenten und Düngemittelherstellers Kali und Salz (K+S), denn der pumpt Flüssigabfälle einfach in Flüsse und Boden – jedes Jahr fallen rund sieben Millionen Tonnen Salzabwässer an.

Eingeleitet werden die Salzabwässer vor allem in die Werra, die als salzigster Fluss Europas gilt – und gelangen so dann auch in die Weser. Rund ein Drittel der Abwässer werden von Kali und Salz direkt in den Boden verpresst.

Außerdem lagert K+S Produktionsreste aus Salz, Gips und Ton auf riesigen, mehrere hundert Meter hohen Halden. Auch die werden bei Regen ausgewaschen und verderben so das Grundwasser.

Zwar wäre es technisch möglich, das unreine Salz herauszulösen und so einen Grundstoff etwa für die chemische Industrie zu gewinnen. Allerdings sei dies viel zu teuer, argumentiert K+S. Aus großen Industriesalzvorkommen könne das Natriumchlorid auch billiger direkt gefördert werden.

Für zu teuer hält K+S auch Pläne, die Abfälle wieder zurück unter Tage zu schaffen. 2014 erzielte der Konzern bei einem Umsatz von 3,8 Milliarden Euro ein operatives Ergebnis von 641 Millionen Euro.

Inwiefern?

Es steht zu befürchten, dass noch mehr Salz direkt in die Flüsse gekippt werden soll. K+S nimmt das Umweltrecht nicht ernst. Werra und Weser sind deshalb längst nicht in dem „guten ökologischen Zustand“, den die Europäische Union für solche Gewässer vorschreibt.

Was ist so schädlich an Salzeinleitungen?

Salz hat in einem Süßwasserfluss nichts zu suchen. Das ursprüngliche Ökosystem verändert sich völlig, wird für viele Tiere und Pflanzen lebensfeindlich – sie sterben. Selbst auf den umliegenden Flächen siedeln sich salzliebende Pflanzen an.

51, ist Diplom-Sozialwirt, hat zwei Kinder und ist der umweltpolitische Sprecher der Grünen im niedersächsischen Landtag.

Und K+S ist zu einflussreich, um diese Umweltzerstörung zu stoppen?

Mit einem Jahresumsatz von knapp vier Milliarden Euro ist dieser DAX-Konzern der größte Salzhersteller der Welt. Allein in der strukturschwachen Region in Nordhessen und Südniedersachsen bietet K+S über 5.000 gutbezahlte, tarifgebundene Arbeitsplätze. Für die machen sich auch Gewerkschaften wie die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Industrie stark.

Und darum kann Kali und Salz die grünen Umweltminister von Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen gegeneinander ausspielen? Warum können sich die Grünen Priska Hinz, Johannes Remmel, Stefan Wenzel und Joachim Lohse sich nicht auf eine gemeinsame starke Linie einigen?

Weil wir Grüne in allen vier Bundesländern in Koalitionen regieren. Weder Priska Hinz noch die Minister können die grünen Umweltziele eins zu eins umsetzen. Sie müssen auch die Interessen ihrer Koalitionspartner von CDU und SPD berücksichtigen. Und natürlich haben alle ein Interesse an der Stärkung der Wirtschaft in strukturschwachen Regionen, wie hier an der einstigen Grenze zur DDR. Ich würde mich freuen, wenn wir die Frage der Versalzung von Werra und Weser unter uns Grünen allein ausmachen könnten! Dazu bräuchten wir aber absolute Mehrheiten.

Hat Hessens Landesregierung nicht noch 2014 gemeinsam mit K+S versucht, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bremen vorzuführen?

Den Plan der sogenannten Oberweserpipeline, mit der die salzhaltigen Abwässer erst in Niedersachsen in die Weser geleitet werden sollten, kann wirklich nur jemand verstehen, für den die Welt an Hessens Landesgrenzen aufhört. Das war eine ignorante, egoistische Position – und das haben wir den Hessen, übrigens auch unseren Parteifreunden, deutlich gemacht.

Stattdessen gibt es jetzt einen Fahrplan der Anrainer-Länder, der vorsieht, die Salzbelastung der Weser erst 2027 zu halbieren. Sollten Flüsse nach EU-Vorgabe nicht schon heute sauber sein?

Ja. Allerdings lässt Brüssel gewisse Überschreitungen zu – und genau darauf setzt die Strategie von Kali und Salz: Bei einem operativen Gewinn ­von mehr als 600 Millionen Euro allein in 2014 hätte dieser Konzern natürlich längst in umweltfreundliche Technologien investieren können. Doch Kali und Salz geht es immer nur um die Gewinnoptimierung. Die Zufriedenheit der Aktionäre ist eben wichtiger als der Umweltschutz.

Auch in Niedersachsen plant K+S weiteren Salzabbau: Das Bergwerk Siegfried-Giesen bei Hildesheim soll wieder aufgemacht werden. Drohen damit nicht neue Belastungen?

Für uns Grüne ist klar, dass Umweltschäden vermieden werden müssen. Der Abraum, also die Abfälle des Bergwerks, müssen soweit irgend möglich wieder unter Tage geschafft werden. Offene Kalihalden, aus denen dann jahrzehntelang Salz ausgewaschen wird, sind nicht mehr Stand der Technik. Solche Salzberge darf es in Niedersachsen nicht mehr geben.

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