Politische Gefangene in Belarus: Ein kurzer Ausflug in die Freiheit
Der Oppositionspolitiker Nikolai Statkewitsch, einer von 52 Begnadigten, widersetzte sich der Abschiebung nach Litauen. Jetzt sitzt er wieder ein.

Statkewitsch ist einer von 52 politischen Gefangenen, die am vergangenen Donnerstag von Präsident Alexander Lukaschenko begnadigt worden und auf freien Fuß gekommen waren. Der 69-Jährige hatte sich geweigert, Belarus zu verlassen.
Der Entscheidung voraus gegangen war ein Treffen Lukaschenkos mit John Coale – US-Anwalt und Gesandter von Präsident Donald Trump, in Minsk. Dabei überreichte Coale Lukaschenko eine persönliche Botschaft Trumps. „Wir beten für Ihre Gesundheit und Ihr Wohlergehen und für weitere Fortschritte bei der Verwirklichung unserer gemeinsamen Ziele im Namen der Menschen in den Vereinigten Staaten und in Belarus“, heißt es darin.
Die freundliche Grußadresse war nicht das einzige Mitbringsel, das Coale im Gepäck hatte. Dazu gab es noch die Ankündigung Washingtons, seine Sanktionen gegen die staatliche belarussische Fluggesellschaft Belawia, die im August 2023 verhängt worden waren, wieder aufzuheben.
In einen Bus verfrachtet
Bereits im Mai 2021 hatte die EU ein Flugverbot gegen Maschinen von Belawia verfügt, sieben Monate später folgten Sanktionen. Grund war die von Belarus erzwungene Landung eines Ryanair-Flugzeugs im Frühjahr 2021, um des belarussischen Journalisten und Bloggers Raman Pratassewitsch habhaft zu werden.
Die 52 Gefangenen – darunter außer Belaruss*innen auch Staatsbürger*innen aus Litauen, Lettland, Polen, Großbritannien, Frankreich und Deutschland, waren nach ihrer Freilassung in einen Bus verfrachtet und zur Ausreise nach Litauen gezwungen worden.
Einzig und allein Statkewitsch hatte sich nicht fügen wollen. Nach einigen Stunden Aufenthalt im Niemandsland zwischen Belarus und Litauen war er in Begleitung maskierter Männer wieder zurück nach Belarus gelaufen. Er entscheide selbst, wo er leben wolle, sagte er zur Begründung.
Statkewitsch war 2010 bei den Präsidentschaftswahlen angetreten und kurz darauf wegen der Organisation von Protesten zu einer sechsjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Obwohl er sich geweigert hatte, ein Gnadengesuch zu unterschreiben, wurde er 2015 vorzeitig aus der Haft entlassen. Im Mai 2020, wenige Monate vor den Präsidentenwahlen im August wurde er in Minsk festgenommen und wegen der Organisation von Massenunruhen zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Handel mit Menschen
Pawel Latuschko, belarussischer Politiker, Ex-Diplomat und derzeit im polnischen Exil, bezeichnete den US-amerikanisch-belorussischen Deal gegenüber dem russischsprachigen Webportal Nastojaschee vremja als Spiel. Lukaschenko könne keine Waren mehr verkaufen, aber er beginne, politische Gefangene zu verkaufen. „Es ist blasphemisch, aber so ist es. Er handelt mit Menschen. Und er versteht, dass sie teuer sind“, so Latuschko.
Sobald politische Gefangene freikämen, würden sie durch neue ersetzt – allein seit vergangenem Juli 115 Personen. Laut der belarussischen Menschenrechtsorganisation Vjasna (Frühling) sitzen in Belarus derzeit 1.168 politische Gefangene (Stand: 15. September 2025) ein.
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