Politischer Aschermittwoch mit AKK: Alle verkrampft, außer mir

Schlechte Witze als Kulturgut: Am Politischen Aschermittwoch gibt sich die CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer kämpferisch.

AKK am Politischen Aschermittwoch

Reißt Witze, die müffeln: CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer Foto: dpa

BERLIN taz | Die Demminer Parteifreundinnen guckten nicht schlecht. Eine CDU-Vorsitzende der klaren, fast schon drastischen Worte – das sind sie hier im Nordosten nicht gewöhnt. Zum Politischen Aschermittwoch in Mecklenburg-Vorpommern kam diesmal nicht wie sonst die stets mittel temperierte Angela Merkel ins örtliche Squash-Center und hielt eine ihrer lauen, vom Bundespresseamt vorbereiteten „Spaß muss sein“-Reden.

Nein, zur 24. Auflage dieser an Seltsamkeiten ohnehin nicht armen Tradition übernahm diesmal Merkels Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Aufgabe, die Seele der nordostdeutschen CDU zum Kochen zu bringen. Und was soll man sagen? „AKK“, wie die neue Parteivorsitzende genannt wird, lieferte.

In den CDU-Farben Schwarz und Orange gekleidet, hielt Merkels Nachfolgerin eine vierzig Minuten währende Aschermittwochsrede, die sich gewaschen hatte. Gerichtet war sie vor allem an jene, die gemeint hatten, nach dem Shitstorm der letzten Tage zeige sich AKK in irgendeiner Weise zerknirscht oder gar einsichtig. Das Gegenteil war der Fall. Beim Stockacher Narrengericht am vergangenen Wochenende hatte Kramp-Karrenbauer verdammt tief in die Klischeekiste gegriffen und einen mehr als nur müffelnden Witz über Angehörige des dritten Geschlechts gerissen.

Bei der Frage pro oder contra Unisex­toiletten, hatte sie erklärt, gehe es doch vor allem um Personen, „die nicht wissen, ob sie noch im Stehen pinkeln dürfen oder schon sitzen müssen“. Tätää!

Die Reaktionen im medialen und politischen Raum waren episch ausgefallen. Von Diskriminierung war die Rede, von Zynismus auf Kosten Schwächerer. Selbst die Lesben und Schwulen Union forderte eine Entschuldigung der Parteivorsitzenden. Nach dem, was nun am Aschermittwoch in Demmin zu beobachten war, kann festgestellt werden: Annegret Kramp-Karrenbauer spornt so was eher noch an. Sie ist nicht umsonst seit Jahren als Putzfrau Gretel in der saarländischen Fastnacht unterwegs; sie weiß, wie man eskaliert und die anderen zwingt, bei mäßigen Witzen auch noch mitzulachen. Heftig attackierte sie also ihre Kritikerinnen und spielte den Ball in deren Feld zurück.

Bezogen auf ihre Stockacher Fastnachtsrede rief sie: „Ich kann euch nur sagen: Wenn wir das so weitermachen, dann laufen wir Gefahr, etwas ganz Wunderbares in unserem Land kaputt zu machen, nämlich die Tradition von Karneval, die Tradition von Fastnacht, die Tradition von Kleinkunst, wo man gerade nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss. Wenn wir da so verkrampfen, wie wir es in den letzten Tagen getan haben, dann geht ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland kaputt. Und das sollten wir nicht zulassen.“

Witze zum Kulturgut aufrüschen

Wir gegen die – diese rhetorische Figur funktioniert bei der Union zuverlässig. Und abgesehen davon, dass in weiten Teilen dieses Landes niemand etwas vermissen würde, wenn Karneval, Fasching oder Fastnacht einfach ausfielen, macht es sich einfach gut, schlechte Witze zum Kulturgut aufzurüschen. Und damit auch wirklich keine Unklarheiten aufkamen, wen sie streicheln und wen sie treffen wollte, legte Kramp-Karrenbauer gleich noch eine Schippe drauf. Mit ihrer Rede von Stockach habe sie sich einzig gegen den Vorwurf des Narrengerichts verteidigt, sie habe „die Entmannung der CDU“ zu verantworten. Es sei ihr nicht um ein drittes Geschlecht gegangen, sondern „um die Frage von Emanzen“, Machos und das Verhältnis zwischen den Geschlechtern.

Fraglich ist, wie Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Niveau-Limbo durch­zuhalten gedenkt

Emanzen – man fragte sich, aus welchem seit den siebziger Jahren verschütteten Erdloch sie dieses Wort nun wieder ausgebuddelt hatte. Den Parteifreunden von Demmin gefiel es aber spürbar, ebenso den anwesenden Springer-Kollegen.

Auch in Bezug auf die Würdigung der politischen Mitbewerber setzte Annegret Kramp-Karrenbauer neue Standards für Demmin. Am Koalitionspartner SPD ließ sie kein gutes Haar. Ob der Finanzminister, Justizministerin Barley oder der Arbeitsminister, alle bekamen ihr Fett weg. Wütend rief sie in die Demminer Squash-Halle, Politik funktioniere nicht nach dem Motto „Die mit den schwarzen Ministerien können bluten“. Wer so agiere, sei kein guter Koalitionspartner. Den Grünen warf sie zum zigsten Mal das Verbots­partei-Stöckchen hin, Klima- und Wirtschaftspolitik seien nun mal nicht voneinander zu trennen.

Fraglich ist, wie Annegret Kramp-Karrenbauer diesen Niveau-Limbo durchzuhalten gedenkt. In ernsten Situationen tatsächlich auch ernst genommen zu werden, setzt eben auch eine gewisse Grundernsthaftigkeit voraus. Kramp-Karrenbauer strebt dem Vernehmen nach die Kanzlerschaft an. Wie sich Putzfrau Gretel mit Terrorismus, ­Finanzmarktkrisen und Umweltkatastrophen in Übereinstimmung bringen lassen soll, diesen Beweis wird sie noch erbringen müssen.

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