Polizeibeauftragter für Berlin gefordert: Vertrauensbildende Maßnahme

Die Hauptstadt braucht einen unabhängigen Polizeibeauftragten, meinen Grüne, Linke und Piraten. Der Gesetzesentwurf wird jetzt dem Parlament vorgelegt.

Der unabhängige Polizeibeauftragte soll für Bürger und Polizei da sein Foto: dpa

Der Gesetzentwurf liegt schon mal vor. Jetzt müssen Grüne und/oder Linke im Herbst nur noch gut bei den Wahlen abschneiden und mit der SPD eine neue Landesregierung bilden. Dann, ja dann könnte die Hauptstadt eine unabhängige Polizeibeauftragte oder einen unabhängigen Polizeibeauftragten bekommen.

Eine uralte Forderung der Bürgerrechtsbewegung würde damit wahr. Bislang hat nur Rheinland-Pfalz eine solche Instanz. Dort gibt es seit 2014 einen unabhängigen Polizeibeauftragten. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg sind dabei, eine entsprechende Stelle einzurichten.

Der Gesetzentwurf ist ein Gemeinschaftswerk von Grünen, Linken und Piraten. Am morgigen Donnerstag wollen sie ihn ins Parlament einbringen. Es ist die letzte Sitzung vor der Sommerpause. Warum so spät? Die inhaltliche Abstimmung zwischen den Fraktionen „war eine Mammutaufgabe“, sagte Benedikt Lux. Der innenpolitische Sprecher der Grünen stellte den Entwurf am Mittwoch mit den Sprecherkollegen von Linken und Piraten, Hakan Tas und Christopher Lauer, der Presse vor.

Was die Realisierungschancen angeht, zeigten sich die drei ganz entspannt. Denn auch die SPD hat in einem Fraktionsklausurbeschluss von 2014 eine unabhängige Beschwerdestelle gefordert. Es sei schon paradox, dass das Vorhaben aus Koalitionsräson zur CDU auf Eis liege, sagte Lauer (Piratenfraktion). „Wir haben eine Zweidrittelmehrheit und könnten das Gesetz sofort verabschieden.“

Bestellung und Entlassung: Wird vom Abgeordnetenhaus mit Zweidrittelmehrheit seiner Mitglieder gewählt. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Die einmalige Wiederwahl ist zulässig.

Rechtsstellung: Untersteht der Dienstaufsicht des Präsidenten des Abgeordnetenhauses. Ist gänzlich unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen.

Wann wird er tätig: Wenn hinreichend Anhaltspunkte vorliegen, dass die Polizei rechtswidrig, unverhältnismäßig oder fehlerhaft handelt.

Befugnisse: Erhält Zugang zu allen für den jeweiligen Vorgang relevanten Unterlagen. Bekommt insbesondere Einsicht in alle Polizeiakten. Kann eigene Untersuchungen anstellen.

Amtshilfe: Alle öffentlichen Behörden und auch die Gerichte sind verpflichtet, ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.

Hinweise: Können mündlich oder schriftlichen erfolgen. Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dürfen daraus keine beruflichen Nachteile entste- hen. (plu)

Die Union reagierte erwartungsgemäß. Die Forderung nach einem Polizeibeauftragten „ist ein Schlag ins Gesicht der Berliner Polizeikräfte und zeigt einmal mehr, dass Linke aller Couleur ein gespaltenes Verhältnis zur Polizei haben“, erklärte CDU-Generalsekretär Kai Wegner am Mittwoch.

Grüne, Linke und Piraten verstehen das Vorhaben indes ausdrücklich als vertrauensbildende Maßnahme. Laut Gesetzestext wird der Polizeibeauftragte – wie der Datenschutzbeauftragte – vom Abgeordnetenhaus gewählt und ist nur diesem rechenschaftspflichtig. Von Polizeimaßnahmen betroffene Bürger sollen sich genauso an ihn wenden können wie Polizisten, die dienstliche Probleme haben.

Als Beispiel wurde am Mittwoch der Skandal um die Schießstände bei der Berliner Polizei genannt. Schießtrainer, die 2005 und 2009 in der Behörde auf Gesundheitsgefahren hingewiesen hätten, seien kurze Zeit später einfach versetzt worden, so Lux.

Hakan Tas (Linke) wies auf ein anderes Defizit hin. Polizeivergehen im Amt blieben in der Regel ungesühnt. Nur ein Prozent der eingeleiteten Ermittlungsverfahren gegen Polizisten hätten 2013 eine Verurteilung zur Folge gehabt. Eine unabhängige, außerhalb des Polizeiapparats angesiedelte Beschwerdestelle mit Ermittlungsbefugnissen könnte an Stellen Licht ins Dunkel bringen, an denen herkömmliche Ermittlungsbehörden und Gerichte bei der Aufklärung von Polizeiübergriffen an ihre Grenzen stoßen. Denn: „Im Zweifelsfall werden bei Ermittlungen gegen Polizisten beide Augen zugedrückt“, so Lauer.

Auch bei der Kennzeichnungspflicht, die 2011 für Berliner Polizisten eingeführt wurde, seien im Vorfeld viele Befürchtungen geäußert worden, erklärten die innenpolitischen Sprecher. Dass Uniformierte ihren Namen oder eine individuelle Nummer tragen, ist in der Hauptstadt mittlerweile Alltag. Die Bedenken indes haben sich nicht bewahrheitet.

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