Polizeigesetz in Mecklenburg-Vorpommern: Einbruch ja, Sex nein

Teile des Polizeigesetzes von Mecklenburg-Vorpommern sind verfassungswidrig. Dabei geht es um Überwachung und das Liebesleben von V-Leuten.

Polizisten laufen Streife über einen Weihnachtsmarkt

Die Fußstreife der Polizei auf dem Rostocker Markt ist wenigstens erkennbar, die verdeckten Ermittler nicht Foto: Frank Hormann/Nordlicht/imago

FREIBURG taz | Die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern darf in Wohnungen einbrechen, um Staatstrojaner auf Geräten zu installieren. Das entschied jetzt das Bundesverfassungsgericht. Allerdings dürfen verdeckte Er­mitt­le­r:in­nen im Küstenland keine Liebesbeziehungen zu Zielpersonen eingehen.

Die rot-schwarze Koalition von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und dem damaligen Innenminister Lorenz Caffier (CDU) verschärfte 2019 das Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG) des Landes massiv. Das SOG ist ein Polizeigesetz, regelt also die Befugnisse der Polizei zur Gefahrenabwehr und zur Verhinderung von Straftaten, während für die Strafverfolgung die Strafprozessordnung, ein Bundesgesetz, gilt.

Gegen die zahlreichen Verschärfungen klagten fünf Einzelpersonen, darunter der Fußballfan Sebastian Trettin und die Anwältin Katrin Hildebrandt. Sie klagten stellvertretend für das Bündnis „SOGenannte Sicherheit“ und die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF). Ihre Verfassungsbeschwerde hatte teilweise Erfolg.

Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stand 2019 der Einsatz von Staatstrojanern. Wie viele andere Landespolizeien darf die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern nun auch Spähsoftware auf Smartphones und Computer aufspielen, um den Inhalt der Festplatte zu kopieren(Onlinedurchsuchung) oder laufende Kommunikation zu überwachen (Quellen-TKÜ). Neu war in Meck-Pomm, dass die Polizei auch in Wohnungen einbrechen darf, um die Trojanersoftware heimlich zu installieren.

V-Leute bitte recyclen

Dagegen hatte das Bundesverfassungsgericht nun aber keine grundsätzlichen Einwände. Zur Gefahrenabwehr seien solche Eingriffe mit dem Grundgesetz (Artikel 13 Absatz 7) vereinbar. Erforderlich ist allerdings eine konkretisierte Gefahr für ein Rechtsgut von sehr hohem Gewicht und eine richterliche Anordnung.

Die konkrete SOG-Norm wurde nur beanstandet, weil sie die Eingriffsschwelle nicht präzise genug beschrieb. Die GFF kritisierte, dass damit sogar der polizeiliche Einbruch in Wohnungen mit schlafenden Menschen möglich ist.

Von grundsätzlicher Bedeutung sind die Vorgaben der Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen zum Schutz des „Kernbereichs privater Lebensgestaltung“ beim Einsatz von Polizeibeamten als verdeckte Er­mitt­le­r:in­nen oder von sonstigen Spitzeln (V-Personen). So dürfen keine intimen Beziehungen benutzt werden, um ein Vertrauensverhältnis zur Zielperson zu schaffen und aufrechtzuerhalten.

Auch ähnlich tiefe nicht sexuelle Beziehungen, wie sie nur in der Familie oder zwi­schen Le­bens­part­ne­r:in­nen üblich sind, darf die Polizei nicht gezielt einsetzen, um an Informationen zu kommen. Die Rich­te­r:in­nen verbieten auch, jemand als V-Person gegen die eigene Part­ne­r:in einzusetzen.

Wenn es doch zu intimen oder Liebesbeziehungen kommt, ist der Einsatz von verdeckten Er­mitt­le­r:in­nen und V-Personen abzubrechen. Er darf nur so lange fortgesetzt werden, bis ein Auffliegen der polizeilichen List vermieden werden kann. Es sei ein verfassungsrechtlich anerkanntes Interesse, dass Undercover-Ermittler:innen mehrfach eingesetzt werden können, so die Richter:innen.

Mehrfach kritisierte das Gericht, dass sich die neuen polizeilichen Befugnisse auch auf Vorfeldstraftaten wie die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beziehen. Hier sind künftig nur noch dann heimliche Präventivmaßnahmen erlaubt, wenn bereits eine „konkretisierte Gefahr“ besteht. Insgesamt beanstandeten die Ver­fas­sungs­rich­te­r:in­nen sechs Normen des Polizeigesetzes.

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