Polizeigewalt in den USA: Helden vom Sockel stoßen

Ein Polizist richtet seine Waffe auf unbewaffnete Jugendliche. Das Video empört – und zeigt, dass das Bild von Beamten korrigiert werden muss.

Ein Mädchen wird von einem Polizisten auf den Boden gedrückt

Die 14-Jährige wird von dem Beamten mit vollem Körpergewicht auf den Boden gedrückt Screenshot: youtube.com

Ein weißer Polizist, schwarze Teenager, eine Waffe und Jugendliche am Boden. Erneut ist in den USA ein Video aufgetaucht, das einen Polizeibeamten zeigt, der offenbar unbegründet und übertrieben aggressiv in einem Einsatz agiert.

Wie zunächst die Webseite Mashable und dann die Washington Post berichteten, ereignete sich der Vorfall am Wochenende in McKinney im US-Bundesstaat Texas. Dort war es bei einer Party in einem öffentlichen Freibad der Gemeinde zu einem Konflikt gekommen. Die Polizei der 140.000-Einwohner-Stadt spricht in einer Stellungnahme von einer „Ruhestörung“, an der mehrere Jugendliche beteiligt gewesen sein sollen.

Das Video, das auf Youtube mittlerweile mehr als 4,5 Millionen mal angesehen wurde, zeigt einen Streifenpolizisten, der seine Waffe völlig unbegründet auf eine Gruppe von unbewaffneten Jugendlichen richtet und ein Mädchen auf den Boden zwingt, sie mit seinem gesamten Körpergewicht herunterdrückt und ihren Kopf auf den Asphalt presst. Mehrfach hört man den Beamten rufen: „Get your ass on the ground.“

Die Lage auf dem Video scheint chaotisch, aber keineswegs dramatisch gefährlich zu sein. Die einzige Aggressivität geht von dem Beamten aus, die Situation wird schließlich durch andere Polizisten beruhigt. 12 Beamte sind am Ende bei einer doch harmlosen Streiterei im Einsatz – letztlich wurde laut Polizei ein erwachsener Mann festgenommen.

Die Post hat den Beamten im Video als Eric Casebolt identifiziert, seit zehn Jahren Polizist, ein erfahrener Beamter. Die Polizei McKinney bestätigt den Namen nicht, erklärt aber, ein Kollege sei vom Dienst freigestellt worden, bis in einer Untersuchung alles aufgeklärt sei.

Der Vorfall erregt in den USA großes Aufsehen. Die tödlichen Schüsse auf Michael Brown in Ferguson, der Tod von Freddie Gray in Baltimore, die übermäßige Polizeigewalt in New York und anderen Städten gegen Afro-Amerikaner haben in den vergangenen Monaten Protestwellen und eine öffentlich geführte Rassismusdebatte ausgelöst. Der Vorfall in Texas nun schreibt diese Geschichte von Gewalt und Rassismus fort. Eine aufgeladene Situation in einer Stadt, in der Afro-Amerikaner etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen und die Mehrheit der Bürger weiß ist.

Der Bürgermeister der Gemeinde nördlich der Metropole Dallas äußerte sich „verstört und besorgt“ über den Vorfall, der Vater des 14-jährigen Mädchens fordert Bürger via soziale Netzwerke dazu auf, bei der Polizei die Entlassung des Beamten zu fordern. Seine Tochter gibt dem örtlichen Ableger des Fernsehsenders Fox ein Interview, und der 15-jährige Brandon Brooks, der das Video filmte, sagte BuzzFeed: „Mich haben die Cops nicht mal angeguckt, es war, als wäre ich unsichtbar.“ Brooks selbst ist weiß.

Heroisiert und glorifiziert

Schwer verletzt wurde in McKinney niemand, die Polizei hat auf den Vorfall reagiert und eine Untersuchung angeordnet. Warum dann diese Aufregung, und warum wird gerade dieses Video im Netz nach oben gespült, könnte man sich fragen. Jeder Vorfall dieser Art verdient und braucht eine Öffentlichkeit. Es erscheint fast ermüdend, bei der Suche nach Erklärungen immer wieder bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 anzukommen, doch sie haben Amerikas Gesellschaft in vielen Bereichen nachhaltig verändert und das betrifft auch die Rolle der Polizei.

Sie wurden, ähnlich wie die Einsatzkräfte der Feuerwehr, heroisiert und glorifiziert. Das Klischee des Freundes und Helfers wurde erweitert durch den Helden, der sich schützend vor eine in Angst erstarrende Gesellschaft stellt. Mit der Glorifizierung jedoch ging auch der Freibrief einher, der jedem Mann und jeder Frau in Uniform per se ausgestellt wurde. Eine Macht, die nicht hinterfragt wurde und quasi nicht angreifbar war. Eines der tragischsten Beispiele ist der Fall Michael Brown: Ein Grand Jury entschied im November 2014, kein Verfahren gegen den Polizisten Darren Willson zu eröffnen, der Brown erschossen hatte.

Die Videos wie das aktuelle aus Texas helfen, dieses überhöhte Bild von den uniformierten Helden aufzubrechen. In McKinney zeigt sich im Kleinen die Aggressivität und auch die rassistischen Vorurteile, mit denen viele Polizisten immer wieder ihren Dienst bestreiten. Mit jedem dokumentierten Vorfall wird deutlicher, dass die amerikanische Gesellschaft die Debatte um die Rolle der Polizei und ihre unkontrollierte Härte führen muss. Aber das Bild der strahlenden Helden ist nicht leicht zu dekonstruieren. An jenem Freibad in McKinney stand am Sonntag ein Schild, auf dem der Polizei gedankt wird: dafür, dass sie für die Sicherheit der Bürger sorge.

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