Polizeiwillkür in Braunschweig: Einfach mal die Bude gefilzt

Braunschweiger Polizei nimmt Jugendlichen fest, der sich über eine Personenkontrolle beschwerte. Dann wird die Wohnung seiner Gastgeberin durchsucht - ohne Beschluss. Polizei nennt Darstellung "Blödsinn".

So sieht es aus, wenn in Braunschweig die Bereitschaftspolizei Festnahmen übt. Wie es aussieht, wenn Streifenpolizisten bei Nacht und Nebel Ernst machen, ist nicht dokumentiert. Bild: dpa

HAMBURG taz | Zivilcourage gegen die Polizei kann unangenehme Folgen haben. Das musste Karl Schmidt* bei seinem Besuch in Braunschweig erfahren. Da er sich bei einer Personalienüberprüfung von Punks in der Braunschweiger Weststadt einmischte und diese kritisch hinterfragte, ist er offenbar selbst zum Ziel der Staatsmacht geworden.

Polizisten haben den ungewollten Zeugen laut Augenzeugen gegen eine Mauer gepresst und durchsucht und ihn anschließend in Gewahrsam genommen, beschlagnahmten die Wohnungsschlüssel in seiner Tasche und durchsuchten damit die Wohnung seiner Gastgeberin Nina Steffen*.

"Sie legten dabei weder einen Durchsuchungsbeschluss vor, der für eine solche Maßnahme notwendig wäre, noch gaben sie einen Grund an", sagen Besucher der Wohnungsinhaberin Nina Steffen. Das gute halbe Dutzend Polizisten habe trotz Protesten der Anwesenden das Eindringen mit "Gefahr in Verzug" begründet.

Die Besucher der Wohnung waren von der Polizeiaktion so verdutzt, dass sie selbst die Polizei anriefen, da sie einen Zusammenhang mit dem Eindringen und dem Verschwinden von Karl Schmidt vermuteten. "Diese verweigerte jegliche Information", sagt ein Betroffener. Daraufhin machten sich die Freunde zur Gefangenensammelstelle in der Braunschweiger Polizeiwache Friedrich-Vogtländer-Straße auf den Weg, wo die Lage erneut eskalierte. Vier Personen wurden festgenommen.

Die Betroffenen berichten, dass sie gewaltsam entkleidet wurden und Tritten sowie Schlägen ausgesetzt worden seien. "Ich wurde brutal festgenommen, weil ich Polizisten fragte, warum sie andere Menschen kontrollieren", sagt Karl Schmidt nach seiner Freilassung nach neun Stunden am nächsten Morgen."Wenn du nicht mit uns kooperierst, brechen wir dir den Arm oder machen dir die Hoden ab", sei ihm auf der Wache gedroht worden. Unter Zwang habe man ihm die Kleidung entrissen, ihn nackt fixiert und ihm eine Blutprobe abgenommen, sagt Schmidt.

Derartige Vorgehensweisen sind in Braunschweig offenbar kein Einzelfall. Norbert Fischer von der Fraktion der Bürgerinitiative Braunschweig (BIBS) in der Ratsversammlung, erinnert an einen Vorfall im April dieses Jahres, wo die Polizei ein Punktreffen von 100 Leuten aufgelöst und fünf Personen in Gewahrsam genommen hatte.

Eine Mutter aus Salzgitter hat inzwischen Strafanzeige gegen Polizisten erstattet, weil sich ihr 16-jähriger Sohn auf der Wache nackt ausziehen musste und von vier Polizisten traktiert worden sei. Ein Polizist habe ihm mit der Faust ins Gesicht, in den Nacken und die Magengrube geschlagen. Ein telefonischer Kontakt des Minderjährigen mit der Mutter sei verweigert worden und auch das Jugendamt sei von der Polizei nicht eingeschaltet worden. Das ergab die parlamentarische Aufarbeitung des Falls im Rat.

Während der Kriminaldienst in diesem Fall ermittelt, bezeichnet Braunschweigs Polizeisprecher Joachim Grande die neuen Vorwürfe als "Blödsinn". Der Sachverhalt sei nicht richtig dargestellt, sagt Grande. Die Jugendlichen hätten Parolen wie "Polizeistaat" gemalt. Wenn jemand mit dem Verhalten der Polizei nicht einverstanden sei, solle er "Ross und Reiter nennen und sich bei der Polizei melden", sagt Grande.

Dazu könnte es bald kommen: "Wir prüfen zurzeit, welche rechtlichen Schritte unsere Anwälte einleiten", sagt die betroffene Wohnungsinhaberin Nina Steffen.

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