Polnische Hooligans: Antisemitismus als Folklore

Politik und Fussballverband reagieren endlich auf die Hassparolen in Polens Stadien. Das hat gedauert: lange hieß es, Sprüche wie "Juden ins Gas!" seien "polnische Folklore".

Widzew Lodz – Fans dieser Mannschaft mussten sich antisemitisch beschimpfen lassen. Bild: reuters

WARSCHAU taz | Polens Hooligans sind berüchtigt. Wenn sie anrücken, verbarrikadieren Ladenbesitzer ihre Schaufenster, Kneipenwirte sperren die Lokale zu und Passanten flüchten in Hauseingänge und Nebenstraßen. Niemand will eine Flasche an den Kopf bekommen oder sein Mobiliar in Einzelteilen vom Pflaster klauben. Für das Testländerspiel Deutschland gegen Polen haben Organisatoren und Polizei nun vorgesorgt. Hooligans sollen erst gar nicht ins Stadion kommen. Premier Donald Tusk erklärte den Kampf gegen die Gewalt rund um den Fußball zur Chefsache.

Während Polizei und Klubmanager immer zuversichtlicher sind, die Gewalt zumindest in den Stadien in den Griff zu bekommen, zucken sie ratlos mit den Schultern, wenn es um allgegenwärtige Hassparolen geht. Wie sollen sie verhindern, dass hunderte Fans ihre Mannschaft wie sonst auch anfeuern: "Juden ins Gas!", "Tod den jüdischen Huren!" oder "Gebt den Juden eins auf die Fresse!" Lange verharmlosten Polens Politiker, Publizisten und Sportmanager das Problem. Das sei eben "polnische Folklore".

Auch Richter und Staatsanwälte in der südostpolnischen Stadt Rzeszow winkten zunächst ab, als eine schwarz gekleidete Hundertschaft mit dem Banner "Die arische Horde rückt an" ins örtliche Fußballstadion marschierte und dort antisemitische Transparente anbrachte. Niemand störte sich an der aus dem Nazihetzblatt Der Stürmer stammende Riesenkarikatur eines Juden mit Kippa und der Forderung nach dem "Tod allen Krummnasen!"

Erst als Medien in aller Welt über den Rassismus in Polens Stadien zu berichten begannen, wurde Außenminister Radoslaw Sikorski klar, dass diese Folklore den Ruf Polens ruinieren könnte. Er intervenierte beim Generalstaatsanwalt. Die Staatsanwälte von Rzeszow begannen zu ermitteln. Doch Aleksander Bentkowski, Polens früherer Justizminister und Präsident von Resovia, dem Klub mit den antisemitischen Folklore-Fans, verharmloste die Judenhetze. Viele Fans hätten das Transparent für "einen Scherz" gehalten.

Als Premier Tusk Stadien schließen ließ, in denen es zu antisemitischen und gewalttätigen Exzessen kam, verhöhnte ihn die rechtsnationale Oppositionspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) und stellte sich auf die Seite der "harmlosen Fans, die einfach nur ihren Spaß haben wollen". Als vor einer Woche Slask Wroclaw (Breslau) gegen Widzew Lodz antrat, skandierten die Fans des Breslauer Klubs: "Judenklub, Judenklub, ich hasse diese Hure!" und "Juden - Euer Zuhause ist Auschwitz". Niemand reagierte. Auch der Vertreter des polnischen Fußballverbandes nicht. Dafür verteidigte Krzysztof Kobielski vom PiS-Unterstützungskomitee die Hooligans: "Das Wort ,Jude' ist in Wirklichkeit eine Form der Beleidigung, die man … [dem Gegner] im Stadion an den Kopf wirft." Er selbst sei auch unter den Fans gewesen: "Ich habe mich dort vollkommen sicher gefühlt."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.