Position der Linkspartei: (Fast) alle Macht den Drogen

Beim Parteitag beschließt die Linke, auch harte Drogen legalisieren zu wollen. Dass dahinter eine gute Idee steckt, schreibt sie wegen schlechter Presse nachträglich ins Programm.

Spritze, Tupfer, Löffel, Feuerzeug, Gurt: Utensilien für den Heroinkonsum. Bild: dpa

ERFURT taz |Sachen gibt’s. Der Antrag, dass die Linke Heroin legalisieren will, geht einfach so durch. Handzeichen und zack! Der Antrag, ob abends noch geschwooft wird, darf nicht einmal eingebracht werden, obwohl die Essener Antragstellerin heute nacht "so gern mit einem Genossen aus Sachsen tanzen möchte". Und der Änderungsantrag schließlich, den Drogenantrag wieder zu ändern, findet zu später Stunde doch noch die Zustimmung der Genossen. Drogen ja, tanzen nein, Drogen dann doch nur irgendwie – so sah die Beschlusslage in Erfurt aus, wo am Wochenende 670 Delegierte das Grundsatzprogramm ihrer Partei verabschiedet haben.

Am Samstagmittag kommt der Änderungsantrag PR.175.3. zur Abstimmung. Eingebracht hat ihn die Bundesarbeitsgemeinschaft Drogen. Der Parteitag der Linken möge beschließen, heißt es da, dass im Programm künftig steht, man fordere "langfristig eine Legalisierung aller Drogen." Im Entwurf hatte man noch die "Legalisierung weicher Drogen" gefordert. 211 Abgeordnete stimmen dafür, dass nicht nur Dope legalisiert werden soll, sondern auch harte Drogen wie Heroin oder Koks. Die 173 Gegenstimmen und 29 Enthaltungen fallen schon nicht mehr ins Gewicht.

Frank Tempel, der drogenpolitische Sprecher der Linkspartei freut sich über das Ergebnis. Noch. Er hat den Antrag unterstützt und verweist gegenüber der taz auf das Wörtchen "langfristig“. Die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten löse nicht deren Problem, sagt er. Deshalb will die Partei die Wende hin zur akzeptierenden Drogenarbeit vollziehen und langfristig etwa das Apothekenmodell einführen, bei dem Erwachsene ihre Drogen in Apotheken legal kaufen können. "Die Substanzen müssen legal erhältlich sein, Verbote schrecken doch nicht ab", sagt Tempel.

Dealer, Drogen, Jugendliche

Es vergehen wenige Minuten, da tickern die ersten Agenturen, die Linkspartei wolle nun auch Koks und Heroin legalisieren. Und aus Berlin wettert der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, die Forderungen der Linkspartei "nehmen immer absurdere Züge an", die Partei beschließe "unverantwortlichen Unsinn". Hans-Peter Uhl, der innenpolitische Sprecher der CDU, sagt: "Die Linke will unsere Kinder und Jugendliche ungeschützt und ungestraft den Dealern harter Drogen aussetzen."

Das ist für Partei- und Fraktionsspitze zuviel. Am Abend initiiert Fraktionschef Gregor Gysi, dass der Beschluss zur Drogenpolitik korrigiert wird. Brav beschließen die Delegierten den Zusatz, der Abschnitt im Programm bedeute "die Entkriminalisierung der Abhängigen und die Organisierung von Hilfe und einer legalen und kontrollierten Abgabe an diese".

Drogenpolitischer Sprecher wurde nicht gefragt

Mit Frank Tempel hat vorher niemand darüber gesprochen. Der drogenpolitische Sprecher lächelt höflich, wenn man ihn fragt, ob er als übergangener Fachmann gekränkt sei. "Mit Klaus Ernst habe ich das schon ausgeräumt", sagt er, "mit Gregor mache ich das nächste Woche." Ihn ärgert, dass nun wegen der fehlenden Kommunikation wieder ein fachlich falsches Wort im Text steht. "'Abhängige' statt 'Konsumenten'", sagt Kriminalist Tempel, "das ist ja der Fehler in der öffentlichen Wahrnehmung: Wer Drogen nimmt, ist abhängig. Das ist natürlich falsch, beim nächsten Bundesparteitag müssen wir das wieder ändern. Wenn man Fachleute hat, muss man sie auch heranziehen."

Mal ehrlich, geht der Absatz im frisch beschlossenen Programm nicht tatsächlich zu weit? Heroin, Koks, Crystal Meth – alles legalisieren? "Keine Sorge", sagt der Kriminalist, der jahrelang in einer Rauschgiftbekämpfungsgruppe gearbeitet hat, "der Dreck, der da auf der Straße verkauft wird, wird nicht legalisiert." Die Linke wolle nicht zur Dealerpartei werden, sondern im Gegenteil der Drogenmafia die Geschäftsgrundlage entziehen. In Zeiten, da sich der Staat nur als Verbotsinstanz in die Debatte einschaltet, sei es wichtig, drogenpolitisch im 21. Jahrhundert anzukommen.

Fragt sich nur, warum bei einem Parteitag, auf dem die Delegierten Stunde für Stunde zäh und unnachgiebig um kleinste Formulierungen gestritten haben – warum es da nicht möglich war, Änderungsantrag PR.175.3. unmissverständlicher zu formulieren. Auch Frank Tempel ärgert das. Als er mit der Bundesarbeitsgemeinschaft den Text formuliert hat, "hieß es immer: kürzer formulieren! So entstehen dann Unklarheiten." Die sind ja nun beseitigt. Der Vorsitzende und der Fraktionsführer haben es so gewollt. Gefragt haben sie ihren Fachmann nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.