Posten: Das ist der Senat

Wer regiert Berlin die nächsten fünf Jahre? Von Altbewährt bis unbekannt, von pragmatisch bis mutig, von Schrebergärtner bis Eigenheimbesitzer. Die acht SenatorInnen.

Können sie's: Frank Henkel glaubt ja. Bild: dpa

Stadtentwicklung (SPD)

Name: Müller, Michael

Alter: 46

Beruf: Drucker, zuletzt aber hauptsächlich SPD-Landeschef und Fraktionsvorsitzender

Mission: Es sagt schon Mao: Geht zur AWO! Michael Müller ist in der AWO und er wird im neuen Großamt Verkehr, Bauen und Stadtentwicklung sicherlich Maos Kraft anrufen, denn Erfahrungen als Senator und Verwaltungsmann fehlen ihm. Was er aber hat, ist ein guter Draht zum obersten Stadtentwickler Klaus Wowereit. Und er besitzt den Pragmatismus, den es braucht - etwa um die Verlängerung der A 100 zu bauen. Dafür war er immer. Für das Ziel, neue Wohnungen in Berlin zu bauen, hat er sich mit der CDU angelegt und gewonnen. Ob die Wohnungen auch sozial verträgliche Mietpreise haben werden, muss er beweisen.

Kann der das? Dass Müller rund 97 Meter neben dem Flughafen Tempelhof aufwuchs, ist sicher ein Pfund. Denn um den Standort geht es in den nächsten Jahren.

Inneres (CDU)

Name: Henkel, Frank

Alter: 48

Beruf: Kaufmann und Journalist. Arbeitete unter anderem für den Froschfunk Hundert,6.

Mission: Dass er mal Senator werden würde, hat er lange wohl selbst nicht für möglich gehalten. Böse Stimmen nennen den gebürtigen Ostberliner den Kandidaten der Schultheiß-Berliner und Schrebergärtner. Bevor er an die Parteispitze gespült wurde, war er innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. In dieser Zeit mimte er gern den Wadenbeißer. Die Kreuzberger Krawalle am 1. Mai 2003 verglich er mit Bürgerkriegsszenarien in Beirut. Die Deeskalationspolitik des rot-roten Senats war für ihn stets Teufelszeug. Nun hat er sich selbst dazu verpflichtet. Auch die Kennzeichnungspflicht für Polizisten wird er nicht antasten. Doch Vorsicht! Es gibt viele Möglichkeiten, Schaden anzurichten.

Kann der das? Man wird ihm auf die Finger schauen. Der nächste 1. Mai kommt bestimmt.

Bildung, Wissenschaft (SPD)

Name: Scheeres, Sandra

Alter: 41

Beruf: Diplom-Pädagogin, wissenschaftliche Referentin

Mission: Als Prügelknaben-Ressort, mit dem man sich nur Ärger einhandelt, bezeichnete Die Zeit jüngst das so wichtige wie unbeliebte Bildungsressort. Zuletzt erreichte Jürgen Zöllner (SPD) darin einige Bekanntheit. Er wird nun beerbt von einer, bei der selbst erfahrene Journalisten noch mal nachfragen müssen. Die gebürtige Düsseldorferin Sandra Scheeres machte sich bislang eher in dritter Reihe und kaum über die Grenzen Pankows hinaus verdient. Eigentlich wurde die SPD-Jugendexpertin als Staatssekretärin gehandelt. Dass die gelernte Erzieherin und Diplom-Pädagogin nun Senatorin wird, könnte als Betonung des Bereichs Jugendpolitik verstanden werden. Oder als das Ergebnis einer kurzen Kandidatinnenliste.

Kann die das? Mut scheint Scheeres immerhin mitzubringen.

Arbeit, Integration (SPD)

Name: Kolat, Dilek

Alter: 44

Beruf: Wirtschaftsmathematikerin

Mission: Ausführlich wurde diskutiert, ob Kolat für den Posten geeignet ist. Grund für die Zweifel war ihre Ehe mit Kenan Kolat, dem Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Dass Dilek Kolat eigentlich ausgewiesene Finanzexpertin ist, sich besser mit dem Bankwesen als dem öffentlichen Beschäftigungssektor auskennen dürfte und bisher aus integrationspolitischen Debatten raushielt, scheint ihre Besetzung jedenfalls nicht behindert zu haben.

Kann die das? Als Frauensenatorin empfiehlt sich Kolat mit einer lange betriebenen Frauennetzwerkpolitik mehr als die Männer vor ihr. Im Übrigen darf man auf die Visionen der ersten Senatorin mit Migrationshintergrund gespannt sein. Die Liebe zu Zahlen kann sich im Kampf um die Umsetzung doch noch als hilfreich erweisen.

Wirtschaft (CDU)

Name: von Obernitz, Sybille

Alter: 49

Beruf: Juristin, arbeitete seit 2003 beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag, war zuletzt in Berlin Bereichsleiterin für Bildung und Forschung - gilt daher als "Bildungsexpertin". Parteilos.

Mission: Hauptaufgabe einer Wirtschaftssenatorin ist die Schaffung von Arbeitsplätzen, Arbeitsplätzen und Arbeitsplätzen. Ein Feld, auf dem die CDU traditionell eine Kernkompetenz für sich beansprucht. Die Linken, so das Mantra der letzten zehn Jahre, können Arbeit jedenfalls gar nicht. Da müssen jetzt die Profis ran: Die schieben große Infrastrukturprojekte wie die A 100 oder die Osttangentiale an, erschließen brachliegende Gebiete wie den ehemaligen Flughafen Tempelhof und bald auch Tegel - und schon stehen die Arbeitgeber Schlange bei Senatorin von Obernitz und betteln darum, in Berlin investieren zu dürfen.

Kann die das? Keine Ahnung, aber das lässt sich in vier, fünf Jahren leicht in Zahlen nachmessen.

Gesundheit, Soziales (CDU)

Name: Czaja, Mario

Alter: 36

Beruf: Versicherungskaufmann

Mission: Einst gaukelte der Hellersdorfer in seiner Biografie nicht nur die Hochschulreife, sondern auch einen Hochschulabschluss vor. 2006 machte ihm die Presse beides madig. Die Wähler im Kreis Mahlsdorf/Kaulsdorf sahens nicht so eng und schickten Czaja 2006 und 2011 trotzdem direkt ins Abgeordnetenhaus. Er ist der einzige Christdemokrat, der im Ostteil Wahlsiege einfährt. Weil Czaja sich auch noch per Fernstudium eines echten Betriebswirtschaftdiploms befleißigte, scheint die alte Schmach vergessen. Nun winkt die Belohnung für den bisherigen gesundheitspolitischen Sprecher seiner Fraktion. Die Fußstapfen sind zumindest im Gesundheitsbereich nicht allzu groß: Vorgängerin Katrin Lompscher (Linkspartei) gehörte eher zu den Stilleren.

Kann der das? Die Tränen darüber, dass die SPD das Sozialressort an die Konservativen abtritt, sind getrocknet. Ob sich Czaja gegen die Sparpläne des erfahrenen Nußbaum durchsetzen kann und will, bleibt indes abzuwarten. Czajas politisches Herz jedenfalls hing bislang nach eigenem Bekunden vor allem "an den Themen der Eigenheimbesitzer".

Justiz (CDU)

Name: Braun, Michael

Alter: 55

Beruf: Rechtsanwalt, Notar und seit 1979 CDU-Aktivist

Mission: Janz een zackja Balina, wird Braun sicher wieder für Ruhe und Ordnung in den Knästen und drumherum sorgen. Keine Handys über die Mauer und konsequente Strafverfolgung inklusive. Als CDU-Rechtsaußen dürfte er außerdem versuchen, das "Neuköllner Modell" des vereinfachten Jugendverfahrens auf die ganze Stadt auszudehnen: Niemand soll auf seine schnelle Verurteilung warten müssen - warum auch? Während Brauns Vorgängerin sich gegen Verschärfungen des Jugendstrafrechts aussprach, packt er knallhart zu. Junge U-Bahn-Schläger sollten sich das hinter die Ohren schreiben.

Kann der das? Als kulturpolitischer Sprecher der CDU lernte er im Kulturausschuss kultiviertere Sitten, was er bald wieder vergessen machen dürfte. Also leider ja.

Finanzen (SPD)

Name: Nußbaum, Ulrich

Alter: 54

Beruf: Tiefkühlfischhändler, zuletzt auch Finanzsenator

Mission: Ulrich Nußbaum hat ein Alleinstellungsmerkmal im neuen Senat. Denn der parteilose Hanseate ist der Einzige, der schon praktische Erfahrung mitbringt, schließlich hat er das Amt schon vor zwei Jahren übernommen. Daher ist auch seine Mission längst bekannt: ein ausgeglichener Haushalt im Jahr 2016, lieber aber schon 2015. Sprich: die Absenkung der jährlichen Neuverschuldung von zuletzt 1,4 Milliarden Euro auf null. Ein Händchen für Absenkungen hat Nußnaum längst bewiesen: Das Podest unter dem Schreibtisch in seinem Amtszimmer, das seinen Vorgänger Thilo Sarrazin noch über die Massen erhob, ließ Nußbaum entfernen.

Kann der das? Als Nußbaum 2009 antrat, fuhr er im Bentley vor. Seither ist klar: Der Typ kennt sich aus mit Geld. Daran hat sich nichts geändert.

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