Präsidentschaftswahl in Bolivien: Linke erklärt sich zur Siegerin

Ein Jahr nach Morales' Rücktritt in Bolivien jubelt dessen linke MAS. Ihr Kandidat Luis Arce liegt laut ersten Prognosen bei der Präsidentenwahl vorn.

Jubelnde Menschen mit Fahnen

Anhänger*innen der linken MAS feiern in La Paz nach den ersten Hochrechnungen Foto: Juan Karita/AP/dpa

BOGOTÁ taz | Die Ergebnisse der bolivianischen Präsidentenwahl sind noch nicht offiziell: Aber Übergangspräsidentin Jeanine Áñez hat Luis Arce, dem Kandidaten der linken „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS), und seinem Vize auf Twitter schon gratuliert. Hochrechnungen sehen den ehemaligen Wirtschaftsminister von Ex-Präsident Evo Morales mit deutlichem Abstand als Sieger.

Schnellauszählungen der Meinungsumfrage-Firma Ciesmori und der Initiative Tu Voto Cuenta deuten darauf hin, dass Luis Arce ohne Stichwahl neuer Präsident von Bolivien wird. Die Hochrechnung der Firma Ciesmori beruht auf Nachwahlbefragungen. Die Firma Ciesmori befragte Wähler*innen in 269 von insgesamt 5.134 Wahllokalen.

Die Initiative Tu Voto Cuenta (Deine Stimme zählt) hat nach eigenen Angaben 4.711 der 35.600 Wahltische ausgewertet. Dafür fotografierten Mitarbeiter*innen nach Auszählung der Ergebnisse die Wahlakten in Wahllokalen. Hinter der Initiative Tu Voto Cuenta stecken mehrere Medien, Stiftungen und Universitäten. Sie gilt als seriös.

Beide Hochrechnungen kommen zu annähernd demselben Ergebnis: Demnach liegt Luis Arce (MAS) mit mehr als 52 Prozent vorne. Carlos Mesa (Comunidad Ciudadana) kommt nur auf etwa 31 Prozent. Da das möglicherweise zur absoluten Mehrheit reicht, auf jeden Fall mehr als 10 Prozent Abstand zum Zweitplatzierten sind, wäre Arce laut bolivianischem Wahlgesetz ohne Stichwahl Präsident. Bei der letzten Umfrage eine Woche vor der Wahl sah das deutlich anders aus: Arce war nur auf 42,2 Prozent gekommen, Mesa auf 33,1 Prozent.

Die Ergebnisse wurden kurz nach Mitternacht (Ortszeit) bekannt. Zu dem Zeitpunkt waren laut offizieller Auszählung erst 3,95 Prozent der Wahlakten ausgewertet. Noch nie wurden die Bolivianer*innen so sehr auf die Folter gespannt wie am Sonntag. Das Oberste Wahltribunal hatte am Vortag nämlich einstimmig völlig überraschend die offizielle Schnellauszählung abgesagt, „um keine Unsicherheit zu schaffen“.

Als Begründung nannte der Präsident des Tribunals, dass das neue Direpre-System bei Testläufen zuletzt nicht überzeugt habe. Auch die internationalen Wahlbeobachter-Institutionen hätten der Entscheidung zugestimmt. Die neue Technik hatte die fehlerhafte aus dem Jahr 2019 ersetzen sollen. Die Unterbrechung der Schnellauszählung hatte in Bolivien damals mit zum Verdacht von Wahlbetrug geführt.

Bei einem Teil der Bolivianer*innen sorgte diese Entscheidung eher für Skepsis als für mehr Vertrauen. Sie fragten sich, ob dahinter tatsächlich technische Mängel oder Taktik lag, um frühzeitige Proteste zu vermeiden. Führungspersönlichkeiten der MAS-Partei hatten angekündigt, bei der geringsten Unregelmäßigkeit werde sich das Volk auf der Straße die Macht zurückerobern.

Offizielles Ergebnis noch unklar

Eine weitere Frage am Wahlsonntag war, wie lange es bis zur ersten offiziellen Ergebnis dauern würde. Salvador Romero, der Präsident des Wahltribunals, gab in einer Pressekonferenz am Sonntag dazu keine Prognosen ab. Nach derzeitigem Stand dürfte es gegen Montagabend (Ortszeit) soweit sein. Dann könnte es auch erste Ergebnisse zur künftigen Zusammensetzung des Parlaments geben. Das amtliche Endergebnis soll am 25. Oktober vorliegen.

Entgegen der Befürchtungen von MAS-Anhänger*innen und -Gegner*innen ist der Wahlsonntag friedlich verlaufen Obwohl zuvor beide Seiten Wahlbetrug befürchtet hatten und dementsprechend zur Wahlbeobachtung mobilisiert hatten, wurden keine besonderen Vorkommnisse bekannt. Acht vor der Wahl gestohlene Koffer mit Wahlunterlagen wurden den Dieben wieder abgenommen.

Die Sicherheitsmaßnahmen wegen der Corona-Pandemie verzögerten den Ablauf teilweise. Aber die Wahllokale blieben länger offen als geplant, damit alle Wartenden in den Schlangen ihre Stimme abgeben konnten. Um die Menschenansammlungen geringer zu halten, durften die eine Hälfte der Bolivianer*innen nur vormittags, die andere nur nachmittags wählen. Die Wahlen fanden unter verstärkter Präsenz von Armee und Polizei statt.

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