Präsidentschaftswahl in Brasilien: Kein strahlender Sieg

Der Linke Lula hat die Wahl knapp gewonnen. Aber Bolsonaro hat Brasilien bereits bleibend verändert.

Lulas Anhänger feiern den Wahlsieg

Brasiliens Linke feiern das Ende von vier Jahren mit einem rechtsradikalen Präsidenten Foto: Diego Vara/reuters

In den vergangenen Jahren war Brasilien wahrlich nicht mit guten Nachrichten gesegnet. Doch nun hat das größte Land Lateinamerikas endlich mal wieder einen Grund zum Jubeln: Luiz Inácio „Lula“ da Silva setzte sich am Sonntag in der Stichwahl gegen den rechtsradikalen Amtsinhaber Jair Bolsonaro durch.

Für viele Menschen in Brasilien, die nun feuchtfröhliche Wahlpartys feiern, war Bolsonaros Amtszeit vor allem eins: eine Katastrophe. Sein schulterzuckender Umgang mit dem Coronavirus stürzte das Land ins Pandemiechaos, wegen seiner Kahlschlagpolitik im Regenwald gilt Brasilien als Paria im Ausland, die Verarmung hat im ganzen Land zugenommen. Bolsonaro hat alte Wunden aufgerissen, neue hinzugefügt. Er hat die politische Kommunikation auf den Kopf gestellt. Und er hat eine Kultur des Hasses etabliert. Brasilien wird lange brauchen, um sich davon zu erholen.

Deshalb ist erschreckend, dass er nicht an der Wahlurne abgestraft wurde. Zwar lag der Pöbelpräsident am Ende eines langen Wahltages hinter seinem sozialdemokratischen Widersacher Lula – doch das Ergebnis war denkbar knapp. Lula kam auf 50,90 Prozent der Stimmen, Bolsonaro auf 49,10 Prozent – und damit mehr als die Meinungsforschungsinstitute vorausgesagt hatten. Etwas mehr als zwei Millionen Stimmen trennten die beiden Politiker voneinander. Somit hat die Wahl vor allem eine Tendenz bestätigt: Brasilien ist tief gespalten, ein Riss geht durch das Land.

Besonders beängstigend ist, dass viele Bolsonaro-Anhänger*innen in keiner Weise mehr empfänglich sind für Informationen von außen. Und die Wahl dürfte ihren Hass auf „das Establishment“ noch weiter verstärken. Es ist davon auszugehen, dass sich Teile seiner Anhängerschaft weiter radikalisieren.

Für Bolsonaro ging es außerdem nie darum, einfach nur Wahlen zu gewinnen. Die extreme Rechte schaut nicht nur auf Mandate – sie will die Gesellschaft nachhaltig verändern. Und in vielen Punkten waren sie damit erschreckend erfolgreich. Die Stichwahl haben sie verloren, ja. Aber sie konnten sich überall festsetzen. Ohne Lulas Wahlsieg schmälern zu wollen: Es wird nicht einfach für ihn werden.

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Niklas Franzen, Jahrgang 1988, ist Journalist und ehemaliger Brasilien-Korrespondent. Im Mai 2022 erschien sein Buch “Brasilien über alles - Bolsonaro und die rechte Revolte” bei Assoziation A.

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