Präsidentschaftswahl in Peru: Gesucht wird ein Erbe des Alan Garcia

In Peru wird ein neuer Präsident gewählt. Angesichts stabilen Wachstums und gesunkener Arbeitslosigkeit stehen die Zeichen auf Kontinuität.

Anhängerinnen des linken Nationalisten Ollanta Humala. Bild: reuters

LIMA taz | Im historischen Zentrum der peruanischen Hauptstadt Lima laufen die Druck- und Schneidemaschinen auf Hochtouren. Es rattert, stanzt, walzt und quietscht entlang der Straße Callao. Hier, nur vier Querstraßen vom Präsidentenpalast entfernt, lassen die KandidatInnen ihre Wahlwerbung drucken.

"Hier ist alles informell", sagt Jesus Rolando Ramos. Stolz zeigt er auf das Herstellerschild seiner Edelmann-Offsetmaschine aus dem deutschen Offenbach. Die alte Postleitzahl verrät, dass deren Geburtsjahr vor 1993 gelegen haben muss. "Ich drucke nur." Stanzen, schneiden, falzen, kleben, das alles machen andere Kleinunternehmer.

Rund 2.000 Minibetriebe drängen sich in den Häusern und Galerien entlang der Straße. Je nach Bedarf sind hier 7.000 bis 10.000 Menschen beschäftigt. Wer angestellt ist und Glück hat, bekommt für seine Sechstagewoche mit ihren 10 bis 14 Stundentagen den gesetzlichen Mindestlohn von 600 Soles, umgerechnet knapp 150 Euro, im Monat.

Alejandro Toledo, 65, war von 2001 bis 2006 schon einmal Staatspräsident. Er steht für ein "Weiter so".

Ollanta Humala, 47, war 2006 in der Stichwahl an Alan García gescheitert. Der ehemalige Oberst gilt als linker Nationalist.

Pedro Pablo Kuczynski, 72, war unter Toledo Wirtschaft- und Finanzminister. Besonderheit: US-Staatsbürgerschaft.

Keiko Fujimori, 35, Tochter des Expräsidenten Alberto Fujimori, repräsentiert den rechten Rand der Ober- und Mittelschicht.

Luis Castañeda, 65, war von 2003 bis 2010 Bürgermeister von Lima. Gilt als autoritär und intransparent in der Finanzführung.

Nebenan rattern frisch gedruckte Wahlplakate aus der Offsetmaschine. Aufmerksam überwacht Marco die Rotation der Walzen. Für welchen Kandidaten er gerade die Wahlpropaganda druckt, ist ihm egal. Und ebenso egal ist es ihm, ob es für einen Kandidaten rundläuft oder nicht. Mit seinen 17 Jahren darf er ohnehin nicht wählen.

Die Stichwahl ist vorprogrammiert

Wenn am Sonntag in Peru die Präsidentschaftswahl stattfindet, dann ist nur eines sicher: Es wird eine Stichwahl geben. Wer dann gegen wen antritt, ist jedoch völlig offen. Eine politische Wechselstimmung ist nicht auszumachen. Nur dass der jetzige Amtsinhaber nicht wieder kandidieren darf, garantiert einen Personalwechsel an der Staatsspitze. Politisch stehen die Zeichen auf ein "Weiter so".

Bei Albino Skrzypietz stapeln sich die Handzettel für Keiko Fujimori. Dass die Tochter des früheren Präsidenten Alberto Fujimori nur deshalb antritt, um ihren zu über 30 Jahren Knast verurteilten Vater aus dem Gefängnis zu holen, ist kein Geheimnis. Und dass Albino ihre Werbung druckt, heißt noch lange nicht, dass sie seine Stimme bekommt.

Seine drei Angestellten haben ordentliche Arbeitsverträge mit den vorgeschriebenen Sozialversicherungen. Damit ist er eine Ausnahme. Lediglich 10 von den 2.000 Minibetrieben sind legalisiert. "Wenn alle Schaltjahre die Kontrolle kommt, dann ist von jetzt auf nachher hier alles verrammelt und verriegelt."

In Limas kleinen Druckbetrieben spiegelt sich die wirtschaftliche Lage des Landes wider. Seit Jahren kann die Regierung ein jährliches Wachstum des Bruttoinlandprodukts von durchschnittlich knapp über 7 Prozent verkünden. Offiziell ist der Anteil der Armen in der Bevölkerung seit 2001 von 54 Prozent auf jetzt 34 Prozent gesunken.

Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß

Doch das Wachstum hat seine Schattenseite. 70 Prozent der Arbeitsplätze sind im informellen Sektor. Von den 15 Millionen erwerbstätigen Frauen und Männer, so hat die Weltbank Anfang März vorgerechnet, arbeiteten im Jahr 2008 11 Millionen ohne feste Verträge, ohne Sozialversicherungen und ohne Urlaubs- oder Weihnachtsgeld.

Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist groß. "Als ich vor sechs Jahren eine Anzeige mit ,Suche Zusteller' geschaltet habe, hatte ich eine Schlange von Menschen vor dem Betrieb. Wenn ich heute die gleiche Anzeige schalte, kommen vielleicht zwei bis drei", sagt Luis Nieto Mendoza.

Dass die Gewerkschaften daraus kein Kapital schlagen können, ist ebenfalls der Informalität geschuldet. So war die Gewerkschaft der Bauarbeiter einmal sehr stark, erzählt Nieto Mendoza. "Wenn die sagten, alles steht still, dann stand auch alles still." Wenn sie es heute sagen, geht alles weiter seinen normalen Gang. Von den 2,5 Millionen Beschäftigten im Baugewerbe erhalten heute noch 400.000 die Sozialleistungen. "Der große Rest bekommt nichts. Alles ist informell geregelt."

In den Hauptstadtbezirken Miraflores und San Isidro der Mittel- und Oberklasse ist der Boom dagegen längst angekommen. In den blank gefegten Straßen zwischen Bürogebäuden und Wohnhäusern stauen sich zur Rushhour die importierten Luxuskarossen. An jeder dritten Straßenecke wird ein neues Gebäude hochgezogen. Die Shoppingcenter sind mit kaufkräftiger Kundschaft gefüllt, und vor den Edelrestaurants bilden sich abends Schlangen modebewusster Feinschmecker. Reichtum wird in Lima nicht versteckt.

Wachstum dank steigenden Rohstoffpreisen

Peru hat sein Wirtschaftswachstum vor allem den international gestiegenen Rohstoffpreisen zu verdanken. Von den Exporten im Wert von 27 Milliarden Dollar im Jahr 2009 stammen 60 Prozent aus dem Bergbaubereich, vor allem Kupfer und Silber. Die Regierung hat diesen Prozess nach Kräften unterstützt.

Ausländische Investoren genießen erhebliche Steuervorteile: Bergbaufirmen müssen nur etwas über 3 Prozent ihrer Ausbeute an den peruanischen Fiskus abführen. Dagegen sind deren Gewinne wegen der gestiegen Weltmarktpreise nach oben geschossen.

Allein 2010 hat der Sektor einen Gewinn von 8 Milliarden Dollar eingefahren. Das entspricht dem Jahreseinkommen von gut 40 Prozent der peruanischen Bevölkerung. Wirklich infrage gestellt wird das bei der kommenden Wahl nicht. Allenfalls streiten sich die KandidatInnen darüber, ob sie eine Steuer auf die Zusatzgewinne wegen der gestiegenen Weltmarktpreise erheben könnten.

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