Praxistest auf dem taz.lab: Erfindungsreichtum im Kino-Format

Im Kleinen die große Veränderung suchen: Der Film „Wir könnten auch anders“ schaut genau hin und zeigt Beispiele menschlicher Eigeninitiative.

Kann immerwährendes Wachstum tatsächlich ein „gutes Leben“ garantieren? Bild: Daniel Kunle/Sein im Schein/Filmproduktion/ZDF

Was muss passieren, damit Menschen Eigeninitiative ergreifen? Und: Wie viel Eigeninitiative seiner Bürger und Bürgerinnen verträgt ein Staat überhaupt? Mit solchen Fragen und einer Kamera sind die beiden Filmemacher Holger Lauinger und Daniel Kunle durch strukturschwache Regionen Deutschlands gereist.

Entstanden ist daraus der essayistische Dokumentarfilm „Wir könnten auch anders“, der Begegnungen jenseits des Wachstums zeigt. Von Menschen, die Projekte verschiedenster Art anschieben. Solche, die im Alltag womöglich klein erscheinen, die aber letztlich alle ihren Anspruch auf sozialökologischen Umbruch verfolgen.

Von Menschen, die sich für das bedingungslose Grundeinkommen engagieren, für ihr eigenes Abwassersystem, für mehr Mitsprache in der Kommune oder patentfreies Saatgut. Einige Protagonisten staunen dabei zunächst selber über die Widerstände, die sich ihnen da auftun.

„Über Gesellschaftsumbau wird seit den siebziger Jahren theoretisiert“, erklärt Lauinger, „was aber passiert tatsächlich vor Ort? Wer entscheidet dort, was wichtig ist?“ Dort, das ist zum Beispiel Lüchow. Im idyllischen mecklenburgischen Dorf hat ein Elternverein eine Landschule gegründet, gefördert mit Geldern durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds – einige Eltern sind extra für die Schule hergezogen.

Doch die Schule muss auf richterlichem Beschluss des Landes geschlossen bleiben, die Bürokratie beginnt sich selbst zu widersprechen. Bis auf Weiteres gehen die Kinder im vierzig Kilometer entfernten Rostock zur Schule. In einer anderen Episode hält Miloud L. Cherif eine mutige Ansprache an die Erfurter Bevölkerung über seinen Status als Flüchtling. Im Hintergrund laufen die Erfurter unbeeindruckt weiter.

„Wenn wir nach solchen Besuchen bei Leuten voller Elan im Auto die Radionachrichten hörten, dieser vermeintliche Gang der Dinge, war das reichlich absurd“, beschreibt Kunle die Parallelwelt, die sich den beiden auf ihrer filmischen Suche aufgetan hat und den trotzigen Titel „Wir könnten auch anders“ erklärt. Nicht alle Projekte haben ein Happy End – einige klappen, andere scheitern. Vor allem aber zeigen sie Widersprüche auf, und stellen sie, einer Hydra gleich, auf jede Frage zehn weitere, statt sie zu beantworten.

Was nicht heißt, dass der Film ernüchtert. Vielmehr ist er ein Angebot, darüber nachzudenken, wo eigentlich die Anfänge sein könnten, ja sein müssten - wenn es so nicht weitergehen kann. „Wir gehen mit unseren Filmen jeweils auf Reisen, um sie mit Publikum zu diskutieren“, erklärt Kunle das Prinzip ihres suchenden Plädoyers für die Politik im Kleinen. Lauinger ergänzt: „Das sind nicht Eigenbrötler, sondern jene, die in der Region Diskussionen veranstalten oder Zeitungen produzieren - dort, wo sich der Staat zurückzieht.“

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