Preis der Leipziger Buchmesse: Gefangen im Genre

Die Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 ist raus. Er wird am ersten Tag der Messe verliehen. Im Bereich Sachbuch ist keine Frau nominiert.

Gewusel in den Hallen der Messe Leipzig. Bild: dapd

BERLIN taz | Das sieht gar nicht gut aus. Für den Preis der Leipziger Buchmesse ist in der Kategorie Sachbuch/Essayistik keine einzige Frau nominiert. Seit der Preis im Jahr 2005 ins Leben gerufen worden ist, wurde er in ebenjener Kategorie nur ein einziges Mal einer Frau zugesprochen, nämlich Irina Liebmann für „Wäre es schön?“. Und in der Kategorie Belletristik ist es nun auch schon sechs Jahre her, dass eine Frau den Preis gewonnen hat. Das war damals Sibylle Lewitscharoff.

405 Titel aus 115 Verlagen wurden in diesem Jahr eingereicht. Auf der Shortlist finden sich am Ende je fünf Titel in den Kategorien Belletristik, Sachbuch/Essayistik und Übersetzung. Der Preis hat zwar nicht die Bedeutung und die auflagenmäßige Auswirkung wie der Deutsche Buchpreis im Herbst, ist aber doch immer wichtiger geworden.

Auf Reiner Stachs dritten und letzten Band der großen und hymnisch gelobten Kafka-Biografie aus dem letzten Herbst „Kafka. Die frühen Jahre“ (S. Fischer) konnte sich die siebenköpfige Jury heuer sicher sofort einigen. Schwieriger, weil randständiger, stellt man sich das bei Philipp Felschs „Der lange Sommer der Theorie“ (C. H. Beck) vor, der Geschichte des verdienstvollen Berliner Merve Verlags, die der dreißigjährigen Sexyness von Theorie nachspürt.

Sehr schön ist die Nominierung von Joseph Vogls neuem Buch „Der Souveränitätseffekt“ (Diaphanes). Es ist das radikalste Buch auf der Liste: vergleichsweise harte Theorie und eine politische Analyse des Finanzwesens als vierte Gewalt.

Im letzten Jahr gewann Helmut Lethen den Preis in der Kategorie Sachbuch, Sasa Stanisic in der Belletristik und Robin Detje den Preis für die beste Übersetzung.

Karl-Heinz Göttert kann mit „Mythos Redemacht“ (S. Fischer), einer Geschichte der Rhetorik von Perikles bis Obama, auf den Preis hoffen. Und auf Philipp Thers „Die neue Ordung auf dem alten Kontinent“ (Suhrkamp) haben sicher einige im Vorfeld gewettet. Ther untersucht die Reformen und Umbrüche in Mittelosteuropa erstmals im Kontext des gesamteuropäischen Neoliberalismus.

Sachbuchprogramme im Frühjahr

Keine Frau also, nirgendwo. Was ist da los? Diese Schieflage fängt bei den Verlagen an. Beim Durchblättern der Vorschauen muss man regelmäßig staunen. In renommierten und großen Verlagen (die sich alle über Nominierungen freuen dürfen) sieht das Hardcover-Sachbuch-Programm der deutschsprachigen Originalausgaben in diesem Frühjahr so aus: Suhrkamp: eine Frau. S. Fischer: eine Frau. C. H. Beck: keine Frau.

In den Marktsparten populäres Sachbuch und Wissenschaft ist die Anzahl der Frauen weit höher. Also da, wo es um Gefühls- und Fleißarbeit geht, um Subjektivität einerseits und klare Methodik andererseits. Das traut man ihnen zu, den Frauen, und das trauen sie sich selbst zu. Das Dazwischen hingegen, der Essay, die Abhandlung, das freiere Genre, ist ein ebenso männliches Genre wie Science-Fiction. Es gibt essayistische Zeitschriften wie den deutschen Merkur, die ganze Ausgaben ohne eine einzige Autorin bestreiten.

Den Frauen könnte man nun zurufen „Seid nicht so feige!“. Aber der metatherapeutische Appell taugt höchstens, um Strukturen zu leugnen, und vielleicht ist es gar so, wie Schopenhauer sagte, und der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will. Aber das ist ein anderes Problem.

In der Kategorie Belletristik hat die Jury mit Jan Wagners „Regentonnenvariationen“ (Hanser) erstmals Lyrik platziert. Das ist sehr gut. Und mit Ursula Ackrills „Zeiden, im Januar“ (Wagenbach) und Teresa Präauers „Johnny und Jean“ (Wallstein) stehen neben Michael Wildenhains „Das Lächeln der Alligatoren“ (Klett-Cotta) und Norbert Scheuers „Die Sprache der Vögel“ (C. H. Beck) auch die Romane zweier Autorinnen auf der Shortlist.

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