Pressefreiheit in Deutschland: Absurd niedrige Quote

Neuer Anlauf gegen den Bundesnachrichtendienst: Die Organisation Reporter ohne Grenzen klagt wegen der Überwachung des E-Mail-Verkehrs.

Verspiegelte Brille

Spieglung, Spieglung in der Brill: Was der BND wohl sonst noch will? Foto: dpa

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) hat den Bundesnachrichtendienst (BND) wegen der Überwachung des grenzüberschreitenden E-Mail-Verkehrs verklagt. Diese gefährde die unbefangene Arbeit von Journalisten.

Flächendeckende Überwachung – seit den Enthüllungen Edward Snowdens im Sommer 2013 ist das ein großes Thema für Bürgerrechtler und Journalisten. Doch nicht nur die NSA greift mit dem großen Datenstaubsauger an, auch der BND macht dies schon lange.

Spätestens seit 1968 überwacht der Bundesnachrichtendienst den Telefonverkehr von und nach Deutschland. Seit 2001 wird auch der E-Mail-Verkehr gescannt. Dabei werden anhand bestimmter Selektoren (Wörter, Telefonnummern, E-Mail-Adressen) Hinweise auf Terrorismus, unerlaubte Rüstungsexporte und das Einschleusen von Ausländern gesucht. Das Ganze nennt sich strategische Fernmeldekontrolle und ist im G-10-Gesetz geregelt. (Das Gesetz heißt so, weil das Fernmeldegeheimnis in Artikel 10 des Grundgesetzes garantiert wird).

ROG will nun feststellen lassen, dass diese Überwachung jedenfalls im Jahr 2013 „übermäßig“ war und daher das Fernmeldegeheimnis verletzt hat. Dabei machen die Reporter anhand offizieller Daten eine einfache Rechnung auf: Es seien wohl „Hunderte Millionen E-Mails“ gescannt worden, dabei habe es aber nur 15.401 Treffer gegeben, von denen wiederum nur 118 als „nachrichtendienstlich relevant“ eingestuft wurden. Das sei eine „absurd niedrige Erfolgsquote“ und könne nicht rechtfertigen, dass bei Bürgern und Journalisten ein „Gefühl ständigen Überwachtwerdens“ erzeugt wird. Eine 30-seitige Klage, die der taz vorliegt, ist bereits beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht worden.

Die Argumentation wirkt durchaus vertraut. Der Berliner Anwalt Niko Härting hat 2014 im eigenen Namen eine ganz ähnliche Klage eingereicht. Stundenlang verhandelte damals das Bundesverwaltungsgericht und vernahm einen obskuren BND-Mann namens „Herr Karl“. Am Ende kam aber nichts dabei heraus. Die Leipziger Richter lehnten Härtings Klage als unzulässig ab. Der Anwalt hätte belegen müssen, dass auch seine E-Mails vom BND erfasst wurden. Doch wie sollte er das herausfinden und beweisen? Härting legte Verfassungsbeschwerde ein, musste sie dann aber alsbald zurücknehmen, weil er aufgrund eines Malheurs Teile der Akten in Karlsruhe zu spät eingereicht hatte.

Der Anwalt hätte belegen müssen, dass auch seine E-Mails vom BND erfasst wurden. Doch wie sollte er das herausfinden und beweisen?

Nun unternimmt Härting einen zweiten Anlauf. Denn die Klage der ROG hat er verfasst. Schließlich hat er noch eine Rechnung offen. Wieder geht es zunächst um die Frage der individuellen Betroffenheit: ROG habe 2013 rund 280.000 E-Mails empfangen und verschickt, argumentiert Härting, viele davon in Krisenregionen, für die sich auch der BND interessiere. ROG sei deshalb „mit einiger Wahrscheinlichkeit“ von der Überwachung betroffen. Spätestens das Bundesverfassungsgericht wird das auch so sehen.

Doch nicht alles ist altbekannt. Die ROG-Klage richtet sich zusätzlich gegen das BND-Verkehrsanalysesystem VerAS, das erst im August 2014 offenbart wurde. Dabei speichert der BND pro Monat angeblich bis zu 500 Millionen Verkehrsdaten, auch von Personen, die nur mittelbar über vier Schritte (Kontakte von Kontakten von Kontakten von Kontakten) einen Verdächtigen kennen. Hierfür habe der BND keine Rechtsgrundlage, so die Klage. Der BND sagt, es seien vor allem Ausländer im Ausland betroffen. Härting sagt, auch Deutsche würden erfasst. Für die Zulässigkeit der ROG-Klage ist das wichtig.

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