Pressefreiheit in Ungarn: Gott, Glück und Viktor Orbán

Die größte Oppositionszeitung ist die „Népszabadság“ wohl die längste Zeit gewesen. Ab sofort gehört sie einem regierungsfreundlichen Oligarchen.

Ein Exemplar der ungarischen Zeitung Népszabadság liegt an einem Kiosk

Szabadság heißt übersetzt Freiheit Foto: ap

BUDAPEST taz | Die Verwunderung ist längst der Resignation gewichen. „Es war klar, dass Löric Mészáros der neue Eigentümer werden würde“, sagt Dániel Bitai, der ehemalige Ressortleiter der Innenpolitik, über seinen Arbeitgeber, die Népszabadság, die größte Oppositionszeitung Ungarns. Gerade erst hat er die neue Personalie erfahren.

Das Blatt war zuvor von der Firma Opimus Press übernommen worden. Anfang Oktober wurde die Zeitung außerdem ohne Vorwarnung vorübergehend eingestellt. Nun hat der neue Besitzer offiziell erklärt, den bisherigen Eigentümer der Népszabadság, die Medienholding Mediaworks, übernommen zu haben. Wie es nach der Übernahme weitergeht, wissen die MitarbeiterInnen der Redaktion nicht. Sie sind bis auf weiteres beurlaubt. „Aber wir sehen keine Möglichkeit, so weiterzumachen wie bisher“, sagt Bitai.

„Wir werden wohl künftig nur noch aus der Regierungszeitung Magyar Idök über die Politik im Lande informiert werden“, hatte Népszabadság-Redakteur Miklós Hargitai am Tag der Einstellung der Zeitung von der Rednertribüne im ungarische Parlament gewettert, während draußen vor dem Parlamentsgebäude mehrere Tausend Demonstranten gegen die Schließung protestierten.

Der neue Eigentümer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gegeben, wer den Konzern künftig leiten soll: Gábor Liszkay, der Gründer der Orbán-freundlichen Tageszeitung Magyar Idök. Daraus den Schluss zu ziehen, dass hinter dem Übernahmedeal ein regierungsnaher Oligarch steht, ist nicht weit hergeholt. Nun ist auch klar, wer das ist: besagter Lörinc Mézáros.

Vom Handwerker zum Schlossbesitzer

Mészáros ist ein enger Vertrauter von Premierminister Orbán und gleichzeitig auch Bürgermeister von dessen Heimatdorf Felcsút. Innerhalb weniger Jahre wurde der ehemalige Handwerker zudem Großunternehmer, Großgrund- und Schlossbesitzer. Heute ist er einer der reichsten Menschen des Landes. Zusammen mit seiner Frau verfügt er über ein Vermögen von 8,4 Milliarden Forint (ca. 27 Millionen Euro). Mészáros besitzt außerdem mehrere Landwirtschaftsbetriebe, Bauunternehmen sowie eine Mineralwasserfabrik. In diesem Jahr kaufte er auch mehrere Hotels. Mészáros wird das Zitat zugeschrieben, er verdanke seine Karriere „Gott, Glück und Viktor Orbán“.

Seit Orbán 2010 wieder an die Macht gekommen ist, profitieren diverse Freunde und Geschäftsleute in seinem Dunstkreis davon, dass sie an Projekten beteiligt waren, die teilweise oder ganz vom Staat oder der EU gefördert wurden. Mészarós soll sich Fördergelder in Höhe von rund zwei Millionen Euro für den Bau einer Eisenbahnstrecke arglistig erschlichen haben.

Der ungarische EU-Abgeordnete Benedeck Jávor hatte Anzeige beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) erstattet. Obwohl es sich bei der Bahnlinie weder um ein „Projekt von hoher öffentlicher Bedeutung“ oder „wirtschaftlicher Relevanz“ handelt, bekam das Projekt durch Viktor Orbán den Status „nationale Priorität“. Besonders pikant: Die sechs Kilometer lange Strecke verbindet die Ortsteile Felcsút, Viktor Orbáns Heimatort, mit Alcsút, dem Familiensitz seines Vaters. Die neue Bahnstrecke wurde von der Firma Mészáros und Mészáros, die Lörinc Mészáros gehört, gebaut.

Auch am Bau eines 13 Millionen Euro teuren Fußballstadions war der Bürgermeister maßgeblich beteiligt. Offiziell wurde der Bau ausschließlich mit privaten Spenden realisiert, doch für die Opposition ist auch hier der Fall klar: massive Verschwendung von Steuergeldern. Und ebendieser Mészáros besitzt nun auch die größte ungarische, man muss wohl sagen: ehemalige, Oppositionszeitung Népszabadság.

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