Pressesprecher AfD-Fraktion Thüringen: Der Rechte aus Österreich
Früher war Hans-Jörg Jenewein ein Funktionär am rechten Rand der FPÖ. Nun hat er einen neuen Job bei der AfD-Fraktion in Thüringen.
 
Der neue Pressesprecher der AfD in Thüringen ist kein Unbekannter: Hans-Jörg Jenewein war lange Politiker der FPÖ, saß im österreichischen Parlament und verschwand dann von der Bildfläche. Als er seinen neuen Job im AfD-Landesverband von Björn Höcke beginnt, berichten deutsche und österreichische Medien über seine Vergangenheit – und über ein aktuell noch nicht rechtskräftiges Urteil.
Von 2010 bis 2019 saß Jenewein für die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) abwechselnd in Nationalrat und Bundesrat. Gegen Ende seiner Laufbahn als Abgeordneter widmete sich Jenewein der Arbeit im parlamentarischen Untersuchungsausschuss über politische Einflussnahme beim österreichischen Verfassungsschutz (BVT). Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit wurde ihm vor dem Wiener Straflandesgericht der Prozess gemacht.
Jenewein soll eine frühere Mitarbeiterin von Ex-Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) angewiesen haben, geheime Unterlagen zu beschaffen. Diese enthielten Details über Personen, die an Zusammenkünften internationaler Sicherheitsbehörden teilgenommen hatten. Als Ermittler Jeneweins Wohnung durchsuchten, fanden sie zudem einen Schlagring, Munitionsteile sowie Handyfotos mit NS-Bezug.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Jenewein gegen waffenrechtliche Bestimmungen verstoßen und seine Amtsbefugnisse missbraucht hatte. Das Urteil: ein Jahr bedingte Haft. Aber noch ist das Urteil nicht rechtskräftig. Das Verfahren geht in die zweite Instanz, weil Rechtsmittel eingelegt wurden. Der Oberste Gerichtshof Österreichs (OGH) erklärte auf Anfrage der taz, Mitte November sei mit einer Entscheidung zu rechnen.
Kontakte nach ganz rechts
Jenewein weist Berichten zufolge die Anschuldigungen zurück. Nachdem die Thüringer Allgemeine über Jenewein und das Urteil berichtet hatte, betonte die AfD, das Verfahren sei noch nicht abgeschlossen. Allerdings wurde Jenewein bereits in einer anderen Sache rechtskräftig verurteilt: 2024 wegen gefälschter Covid-Zertifikate zu 5.600 Euro Strafe.
In Thüringen reagierte Niklas Waßmann, Generalsekretär des CDU-Landesverbands, wenig überrascht auf die neue Personalie. „Das ist kein Zufall – das ist System.“ Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke täusche zwar „die Wähler mit dem Anschein von Bürgerlichkeit“, aber er baue gezielt ein Team aus Leuten auf, „die ein Problem mit dem Rechtsstaat haben“, so Waßmann.
Verurteilte sind in den Reihen der Thüringer AfD-Fraktion tatsächlich nichts Neues. Das fängt bei Höcke selbst an. Nachdem er bei Auftritten die verbotene Parole der SA verwendet hatte, brummte ihm das Landgericht Halle eine fünfstellige Geldstrafe auf. Im September hat der Bundesgerichtshof das Urteil bestätigt: Es ist damit rechtskräftig und Höcke gilt als vorbestraft. Auch die Parlamentarische Geschäftsführerin Wiebke Muhsal und der Fraktionssprecher für Petitionen, Torsten Czuppon, wurden in den vergangenen Jahren zu Geldstrafen verurteilt.
Ähnlich wie Waßmann äußerte sich auch der Co-Vorsitzende der Linken, Rolf Plötner. „Mit der Einstellung von Hans-Jörg Jenewein als Pressesprecher der Fraktion erhält ihre rechtsradikale Propagandamaschinerie neuen Auftrieb.“ Mit seinen Kontakten nach ganz rechts außen und seiner Herkunft aus dem Milieu der Burschenschaften sei Jenewein prädestiniert für die Aufgabe.
Auf Fragen der taz dazu antwortete Jenewein nicht. Doch über seine Vorgeschichte ist öffentlich viel bekannt.
Die rechte Hand Herbert Kickls
Hans-Jörg Jenewein, geboren 1974 in Wien, ist laut Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als langjähriger Akteur in rechtsextremen Netzwerken bekannt. Der „Alte Herr“ der fachstudentischen Burschenschaft Nibelungia Wien publizierte ab 2004 wiederholt in der rechtsextremen Zeitschrift Die Aula, die vom DÖW als rechtsextreme Organisation eingestuft wird.
Als Referent trat Jenewein bei sogenannten Lesertreffen des geschichtsrevisionistischen Verlagsimperiums von Dietmar Munier auf. Im Februar und März 2013 war der damalige Wiener FPÖ-Landesparteisekretär als Redner bei zwei dieser Veranstaltungen geladen. Mit dabei unter anderem der neurechte Verleger Götz Kubitschek und der rechtsextreme Liedermacher Frank Rennicke.
Im Hotelfoyer wurden laut Berichten Bücher über die Waffen-SS, die sogenannte Kriegsschuldlüge und Werke des verurteilten Holocaust-Leugners David Irving angeboten. Der schleswig-holsteinische Verfassungsschutz stufte Muniers Verlagsgruppe als einen der „bedeutendsten Verlage dieser Art in Deutschland“ ein.
In seiner Heimat Österreich durchlief Jenewein eine bewegte politische Karriere in der FPÖ. Er begann während der schwarz-blauen Koalition Anfang der 2000er als Referent in der Pressestelle der Wiener FPÖ, die er von 2006 bis 2015 leitete. Als Abgeordneter galt er als rechte Hand des heutigen FPÖ-Chefs Herbert Kickl.
Berichten zufolge ist Jenewein 2022 wegen eines internen Konfliktes aus der FPÖ ausgetreten. Wurde Jenewein der selbst rechtsradikalen FPÖ gar zu extrem? Kam er durch die Ermittlungen derart in Misskredit, dass er nun zur AfD ausweichen musste? Die FPÖ-Bundespartei ließ eine Anfrage unbeantwortet. Von der FPÖ-Parlamentsfraktion heißt es lapidar: „Wir wünschen Herrn Jenewein für seine persönliche Zukunft alles Gute. In seiner beruflichen Entscheidung sehen wir keinerlei Grundlage zur Beantwortung ihrer übermittelten Fragen.“
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