Privatwirtschaft und Behinderung: Nahles hofft auf guten Willen

Die Opposition und die Bundessozialministerin sind nicht zufrieden: Privatunternehmen sind von den neuen Behindertengesetzen ausgenommen.

Zwei Menschen sitzen in Rollstühlen, die bunt beleuchtet sind

Behinderte Menschen protestieren am 12. Mai nahe dem Bundestag gegen umstrittene neue Gesetze Foto: dpa

BERLIN taz | Artikel 3 des Grundgesetzes garantiert, dass niemand wegen einer Behinderung benachteiligt werden darf. Zudem hat die Bundesregierung die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet, nach der Behinderte ein Anrecht haben auf Inklusion, Barrierefreiheit und ein selbstbestimmtes Leben. Dem versuchen zwei neue Gesetze gerecht zu werden.

Das am Donnerstag verabschiedete Gesetz zur Weiterentwicklung des Behindertengleichstellungsgesetzes soll das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das seit Mai 2002 gilt, erweitern. Laut BGG musste der Bund bisher nur bei Neubauten oder großen Um- und Erweiterungsbauten auf Barrierefreiheit achten. Nun sollen auch Hindernisse in bestehenden Gebäuden angegangen werden – im öffentlichen Bereich. Die Behörden müssen verbindliche und überprüfbare Maßnahmen- und Zeitpläne zum weiteren Abbau von Barrieren in Gebäuden, die vom Bund verwaltet werden, erarbeiten.

Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) räumte dazu am Donnerstag ein: „Was das vorliegende Gesetz angeht, sage ich ganz offen: Ja, auch mir fehlt im BGG der private Sektor. Den hätte ich gerne im Gesetz dabeigehabt. Das ist leider dieses Mal nicht gelungen – aber dann beim nächsten Mal!“ Nahles sagte, sie setze darauf, dass das neue BGG auch die private Wirtschaft zum „Mitmachen“ und „Nachahmen“ anrege.

Der erste Entwurf des neuen Bundesteilhabegesetzes ist derzeit noch in der Phase des Abstimmung zwischen den Ministerien. Danach soll es bei der Anrechnung von eigenen Einkommen auf Kosten der Eingliederungshilfe und Hilfe zur Pflege einen Freibetrag von 260 Euro pro Monat geben, der auf die geltenden Einkommensgrenzen addiert wird.

Für die Vermögen der Empfänger von Eingliederungshilfe (ohne Hilfe zur Pflege) gilt künftig ein Freibetrag von 25.000 Euro. Da viele Betroffene aber auch häusliche Assistenz und Pflegeleistungen brauchen, ändert sich für sie so gut wie nichts – denn bei der Hilfe zur Pflege gilt nach wie vor nur ein Vermögensfreibetrag von 2.600 Euro. Lebens- und Ehepartner werden in diese Anrechnungen voll mit einbezogen. Das erschwere Behinderten das Eingehen von Partnerschaften, kritisieren Sozialverbände.

Linkspartei und Grüne rügten beide Gesetze. Die Linke bemängelte, der Regierung fehle der Mut, eine umfassende Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen umzusetzen. Die Grünen bezeichneten das Gleichstellungsgesetz als „lahme Ente“. Nach Ansicht des Deutschen Behindertenrates (DBR) erfüllt das Gleichstellungsgesetz die Erwartungen nicht, weil beim Abbau von Barrieren die Privatwirtschaft nicht in die Pflicht genommen werde.

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