Privilegien für Autos: Verkehrswende im Stau

Deutschland verfehlt seine Klimaziele beim Verkehr. Und was tut die Ampelregierung? Hält an den kostspieligen Autoprivilegien fest.

Die Rücklichter von Autos, die an einer Ampel stehen

Verkehr bleibt das Schlusslicht beim Klimaschutz Foto: Wolfgang Maria Weber/imago

Das Deutschlandticket kommt – ein Durchbruch, mit dem vor einem Jahr niemand gerechnet hatte. Die Kleinstaaterei der Tarifzonen wird bald Vergangenheit sein, Bus und Bahn werden günstiger. Und dennoch: Der Verkehr bleibt das Schlusslicht beim Klimaschutz. Die Regierung verweigert die Wende in Richtung klimafreundliche Mobilität. Letztes Jahr hat sie erneut die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes gerissen. Macht sie so weiter, dürfte sie auch das Verkehrsklimaziel für 2030 krachend verfehlen: Bis dahin sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um die Hälfte sinken – mit den bisherigen Maßnahmen wird das nicht gelingen.

Eigentlich hat sich die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag zu einer nachhaltigen und für alle bezahlbaren Mobilität bekannt. Der sogenannte Umweltverbund – also Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr – soll als Alternative zum Auto ausgebaut werden, in die Schiene künftig mehr Geld fließen als in die Straße. Doch Papier ist geduldig; in der Praxis ist davon kaum etwas zu erkennen. Im Entwurf für den Haushalt 2023 fehlen:

1. Ausreichende Investitionen, abgesichert durch einen langfristigen Umwelt- und Klimafonds.

2. Die Besteuerung der Verkehrsarten nach Umwelteffekten („tax bads not goods“).

3. Neue Steuerungsinstrumente wie ein Bonus-Malus-System bei der Kfz-Steuer oder eine Pkw-Maut.

4. Eine am Klima ausgerichtete Subventionspolitik.

5. Der Ausbau von Planungs- und Personalkapazitäten für die Verkehrswende.

Dabei müsste der Verkehrshaushalt 2023 endlich erste Schritte gehen, damit wir bis 2030 einen Verkehr erreichen können, wie wir ihn haben wollen: resilient, ökologisch und sozial. Stattdessen wird der Bundestag kommende Woche abermals mehr Mittel für das Auto freigeben als für den Umweltverbund. Die Investitionen in die Straße werden auf 11,5 Milliarden Euro erhöht, während sie für die Schiene bei rund 9,5 Milliarden verharren. ­Der Staat fördert also weiter die Strukturen, die für den größten Teil der Verkehrsemissionen verantwortlich sind, und verhindert damit den Übergang in eine klimafreundliche Mobilität.

Beim ÖPNV reicht das Geld vorne und hinten nicht

Auch beim Radverkehr wird gekürzt. Hier stehen lediglich 561 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei hatte die Verkehrsministerkonferenz im Mai 2022 einstimmig beschlossen, die Investitionen fürs Rad auf 1 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen – für jedes Jahr bis 2030. Zwar wird allen Verkehrsarten für die Folgejahre Geld zugesichert; an der Priorität für die Straße ändert das aber nichts.

Beim ÖPNV klafft ebenfalls eine Lücke: Das Geld reicht vorne und hinten nicht, um das Bus- und Bahnangebot zu verbessern. Zusätzliche Verbindungen und neue, umweltfreundlichere Fahrzeuge werden dringend benötigt, doch dafür sieht der Bundeshaushalt kaum etwas vor. Es drohen sogar Kürzungen beim Angebot, weil Personal- und Energiekosten stark gestiegen sind. Allein diese Preissteigerungen auszugleichen, würde für 2023 drei Milliarden Euro zusätzlich erfordern.

Und damit wäre noch keine einzige zusätzliche Verbindung geschaffen. Um das Ziel zu erreichen, die Fahrgastzahlen zu verdoppeln, sind weitere 12 Milliarden Euro für Busse und Bahnen nötig. Zusammen also 15 Milliarden Euro jedes Jahr, die Bund und Länder nicht stemmen wollen.

Wer meint, das sei viel Geld, soll sich anschauen, wie stark der Autoverkehr jährlich gefördert wird. Man nehme etwa die Steuerprivilegien wie die niedrigere Energiesteuer auf Diesel (8,2 Milliar­den Euro), das Dienstwagenprivileg (4,4 Mil­liar­den) oder eine Pendlerpauschale (6 Mil­liar­den), die vor allem das Autofahren günstiger machen. Hinzu kommen Steuerbefreiungen fürs Fliegen: Der Staat erhebt weder eine Energiesteuer auf Kerosin (8,4 Milliarden) noch eine Mehrwertsteuer auf Auslandsflüge (4 Milliarden).

Auto-Subventionen abschaffen

Diese Privilegien führen zu immensen Steuerausfällen und stellen de facto Subventionen dar. Meist sind sie ungerecht, da vor allem Besserverdienende profitieren. Klimapolitisch sind sie fatal, denn sie konterkarieren alles, was den Verkehr klimaschonender macht. Mit den zusätzlichen Einnahmen ließen sich Bus-, Bahn-, Rad- und Fußverkehr locker ausbauen. Doch die Devise „viel Geld hilft viel“ trifft nicht immer zu. Oft werden Fördertöpfe nicht ausgeschöpft, weil in der Verwaltung das Personal für die Planung fehlt oder Baufirmen keine freien Kapazitäten haben. Hinzu kommen bürokratische Hürden und hohe Eigenanteile, die Kommunen und Unternehmen abschrecken.

Weil Mittel deshalb nicht ausgeschöpft werden, meint das Verkehrsministerium, es könne sie kürzen ­– ein fataler Fehlschluss. Das Gegenteil wäre richtig: Das Ministerium müsste langfristig Investitionen garantieren, Förderkriterien vereinfachen und Infrastrukturprojekte priorisieren, damit die Bauwirtschaft ihre Kapazitäten hochfährt und Ämter mehr Pla­ne­r*in­nen einstellen. Teure, aufwändige und klimaschädliche Straßenbauprojekte muss es dagegen einstellen.

Ein Symbol für falsche Anreize ist die neu gegründete Autobahn GmbH. Wie wäre es, wenn dieses Staatsunternehmen – als echte Mobilitäts-GmbH – künftig für die Schiene und die kommunale Infrastruktur plant? Entscheidungen brauchen Ziele, die sich nicht nur am Verkehr orientieren. Ebenso wichtig sind Klima-, Umwelt- und Gesundheitsschutz, Verkehrssicherheit, Teilhabe und Sozialverträglichkeit. Daran müssen sich Verkehrsplanung und -finanzierung halten.

Hier kommt ein Bundesmobilitätsgesetz ins Spiel, wie es der VCD als neuen Rahmen für die Mobilität vorschlägt. Es soll Planung und Finanzierung an oben genannten Zielen ausrichten und so Transparenz und Verbindlichkeit schaffen. Auch wenn die Herausforderungen für ein solches Gesetz groß sind, die Probleme der Verkehrspolitik sind größer – sie können nur mit einem großen Wurf beseitigt werden. Die Ampel dagegen zementiert den Status quo. Sie klammert sich an den Verkehr der Gegenwart auf Kosten einer lebenswerten Zukunft.

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Kerstin Haarmann ist ehren­amtliche Bundes­vorsitzende des ökologischen Verkehrsclubs (VCD). Die Juristin und Finanzexpertin hat ihren Job in der freien Wirtschaft aufgegeben, um eine gemeinnützige Firma für nachhaltiges Wirtschaften und Leben zu gründen. Zuvor hat sie sich langjährig für die Grünen in der Lokal­politik ­engagiert. Sie ist überzeugte Radfahrerin und lebt in ­Ostwestfalen bei Paderborn.

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