Pro & Contra Kompromiss zur A 100: Einzige Chance oder Ausverkauf?

Der rot-grüne Kompromiss lässt offen, ob die A100 gebaut wird. Haben die Grünen ihre Chance genutzt oder ihre Seele verkauft?

PRO A-100-KOMPROMISS von Uwe Rada:

Nein, geschickt war das nicht. Es gebe keine grüne Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag, der den Bau der A 100 vorsieht, hatte der grüne Fraktionschef Volker Ratzmann vor der Wahl versprochen. Jetzt steht die Unterschrift sogar unter der Sondierung. So sieht es zumindest Klaus Wowereit.

Nein, und es war auch kein Kompromiss, den SPD und Grüne erzielt haben. Ein Kompromiss wäre etwas, was beide zu gleichen Teilen tragen könnten. SPD und Grüne haben dagegen vertagt. Und sie haben delegiert. Die Bundesregierung spielt nun mit im Spiel um die umstrittene Autobahn - und auch die Haushaltslage.

Dennoch war die Vereinbarung auch aus Sicht der Autobahngegner richtig: Es war die einzige Möglichkeit, die der Betonfraktion der SPD und den grünen Betongegnern ermöglichte, ihr Gesicht zu wahren.

Und die tatsächlichen Chancen, die Verlängerung der A 100 bis zur Elsenbrücke zu verhindern? Dass ein CSU-Bundesminister den Grünen keine Brücke baut, war zu erwarten. Und kategorisch klang das "Geht nicht" einer Umwidmung der Mittel auch nicht. Im Hause Ramsauer gab es auch Stimmen, die sagten, es gehe nur nicht "ohne Weiteres". Was übersetzt heißt: Es geht.

Und dann ist da noch das Geld. Schon beim Stadtschloss hat der Bauminister den Rotstift angesetzt und die barocke Fassade gestrichen. Warum sollten also nicht auch 420 Millionen mal eben wegfallen? Das wäre dann zwar nicht im Sinne der Einigung zwischen SPD und Grünen, aber es käme den Autobahngegnern auch nicht ungelegen.

Es gibt also gute Gründe für die Grünen, auf dem Parteitag am Freitag "grünes Licht" für Koalitionsverhandlungen zu geben. Immerhin steht auch ein Horrorszenario im Raum, das ein Grüner so formuliert: "Man stelle sich vor, wir sagen Nein zu Rot-Grün, und dann scheitert die A 100 bei Rot-Schwarz am Geld."

CONTRA A-100-KOMPROMISS von Stefan Alberti

In der Politik gibt es Standardsätze. Wie etwa das Adenauer zugeschriebene Zitat: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern?" Oder die Behauptung, dass Politik die Kunst des Kompromisses sei. Wer das glaubt, dem mag der A-100-Kompromiss gefallen. Wer hingegen meint, Parteien müssten jenseits von aktuellen Erwägungen für etwas Verlässliches stehen, der kann von den Grünen nur abgrundtief enttäuscht sein.

Energetische Sanierung, Klimastadtwerk - ja, die Grünen hatten durchaus noch andere Themen. Bei keinem aber haben sie sich derart festgelegt wie bei der A 100. Ihr Fraktionschef Volker Ratzmann erklärte die Wahl zur Abstimmung über die Autobahn. Als die Linkspartei auf Grünen-Kurs einschwenkte, nannte er das einen "Wendehalsbeschluss". Bis zum höchsten deutschen Gericht wollte derselbe Ratzmann gehen. Die Grünen und der betonharte Widerstand gegen die A 100, das schien zusammenzugehören wie die FDP und Steuersenkungen.

Nicht wenige Wähler könnten genau aus diesem Grund den Grünen ihre Stimme gegeben haben. Doch was machen ebendiese Grünen? Sie setzen darauf, dass sich Autobahngelder anders nutzen lassen, und auf Kürzungen im Bundeshaushalt. Schlägt das fehl - was gut möglich ist -, haben sich diese Grünen festgelegt, den Weiterbau mitzutragen. Wahlbetrug nennt das der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich von der Linkspartei. Auch wenn "Betrug" rechtlich grenzwertig ist - Liebich trifft damit den Kern.

Solche Flexibilität mag die Grünen in den Senat bringen. Solche Flexibilität trägt aber auch zum viel bejammerten schwindenden Vertrauen in Parteien bei. Vielleicht aber setzen die Grünen genau darauf, dass sich immer weniger Menschen für Politik interessieren. Dann erinnert sich nämlich in fünf Jahren keiner mehr daran, dass sie gerade ihre Seele verkaufen.

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Jahrgang 1963, ist Redakteur für Stadtentwicklung der taz. Weitere Schwerpunkte sind Osteuropa und Brandenburg. Zuletzt erschien bei Bebra sein Buch "Morgenland Brandenburg. Zukunft zwischen Spree und Oder". Er koordiniert auch das Onlinedossier "Geschichte im Fluss" der Bundeszentrale für politische Bildung. Uwe Rada lebt in Berlin-Pankow und in Grunow im Schlaubetal.

Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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