Pro & Contra Silvester: Braucht es ein Böllerverbot?

Der Linken-Politiker Hakan Taş will das Knallen in der Berliner Innenstadt verbieten. Ist das ein notwendiger Schutz oder realitätsferne Verbotsapostelei?

Explodierende Silvesterrakete

Knall. Bumm. Peng. Foto: dpa

Ja

Die Forderung nach einem Böllerverbot zu Silvester ist richtig. Das mag man spießig finden, aber selbst wenn man kein Anhänger einer Verbotskultur ist: Silvester ist in einigen Berliner Innenstadtbezirken vor allem ein Fest der Rücksichtslosigkeit.

Die Kosten für die Allgemeinheit sind nun einmal zu hoch, als dass sie der Spaß, den die Knallerei vielen mit Sicherheit macht, rechtfertigen könnte: Menschen, die sich völlig sinnlos ihre Gliedmaßen weggesprengt haben, blockieren das Notrufsystem der Feuerwehr – gemeinsam mit denjenigen, denen ein Böller in der Kapuze völlig sinnlos das Trommelfell zerfetzt hat.

Hakan Taş, innenpolitischer Sprecher der Berliner Linksfraktion, hat am Donnerstag ein Böllerverbot für die Berliner Innenstadt gefordert. Kurzfristig sei dies zwar nicht machbar, so Taş im RBB-Inforadio. Er könne sich jedoch eine Regelung vorstellen, wonach etwa die Knallerei „stufenweise“ an bestimmten Orten in der Innenstadt verboten werden könnte. In einigen Innenstädten – etwa in der Düsseldorfer Altstadt – gibt es bereits seit einigen Jahren ein Böllerverbot. Dort habe man damit gute Erfahrungen gemacht, so Taş.

Frank Zimmerman, innenpolitischer Sprecher der SPD, zeigte sich für eine solche Diskussion grundsätzlich offen, betont jedoch Bedenken in puncto Durchsetzbarkeit. Wenn man ernsthaft etwas erreichen wolle, müsse man darüber allerdings „mal im Sommer debattieren“ und nicht erst kurz vor Silvester. Benedikt Lux, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, springt seinem Kollegen Taş' bei: Den Lärm zu Silvester „braucht kein Mensch“. Lux will eine stärkere Regulation des Verkaufs von Pyrotechnik diskutieren.

Jedes Jahr aufs Neue beklagt man sich in dieser Stadt über die Tonnen von Raketenmüll, die am Neujahrsmorgen (und in einigen Kiezen noch viele Wochen danach) die Rad- und Gehwege unsicherer machen. Und auch wenn das besonders spießig klingen mag: Die Feinstaubbelastung in der Silvesternacht ist in etwa so krass, als wenn man freiwillig auf der Autobahn Wandern geht.

Nun sind Verbotsdebatten immer schwierig. Vielleicht sollte man deshalb auch besser darüber diskutieren, wo man in Berlin künftig knallen darf. Warum nicht einige Plätze explizit für die Knallerei freigeben – dann wissen auch alle, welche Orte man meiden muss.

Mag sein, dass diese Debatte alle Jahre wieder geführt wird – und alle Jahre wieder verpufft, sobald die Stadtreinigung den letzten Raketenmüll von der Straße gekratzt hat. Mag sein, dass ein Verbot seitens des Ordnungsamts und der Polizei in einigen Kiezen in Kreuzberg, Neukölln und Friedrichshain nur schwer durchsetzbar wäre.

Aber das ist kein Argument dafür, diese Diskussion nicht trotzdem immer wieder zu führen. Und zwar am besten schon ein paar Tage früher als kurz vor knapp – denn der Vorwurf, dass alles andere vor allem nur PR für den Verbotsforderer ist, ist ja durchaus berechtigt. Nächstes Jahr ist wieder Silvester. Anna Klöpper

Nein

Verletzte, Brände, Müll, Geldverschwendung, Mackergehabe: Na klar spricht viel gegen das Knallen an Silvester. Ebenso viele Argumente lassen sich allerdings gegen Vollzeitarbeit, Sex in Dark­rooms und Wochenendtrip-Flugreisen finden. Gibt es alles trotzdem. Die so sicher wie der Jahreswechsel wiederkehrenden Böller-Verbotsdebatten sind daher vor allem eines: überflüssig. Denn sie spiegeln die Realitätsferne und Abgehobenheit der Verbotsapostel wider.

Es sind nicht die linken Weltverbesserer, die ihr Geld lieber an SeaWatch spenden (IBAN: DE77100205000002022288) und nicht die Veganer mit Sorge um das Trommelfell der Stadtbiber, die an Silvester die Raketen aufsteigen lassen. Es ist die Mehrheit der Bevölkerung. Viele, die sich nicht ständig um das große Ganze Gedanken machen, weil sie mit ihrem täglichen Leben genug beschäftigt sind. Für viele von ihnen ist es – verstehe das, wer will – geradezu ein Bedürfnis, 50 abgesparte Euro für Chinaböller und Kanonenschläge auszugeben. Zum Ende des Jahres einmal lauthals hoffen, dass es im nächsten besser wird.

Die Verbotsbefürworter haben es sich heimelig gemacht in ihrer Blase des Guten und Reinen. Teil ihrer Blase ist leider viel zu oft auch ein Unverständnis, mitunter eine Verachtung der Unterschicht. Viele der Debatten um gendergerechte Sprache oder fahrradfreundliche Städte sind von diesem Begleitgefühl geprägt: dem Pöbel die bessere Welt erklären, notfalls verordnen. Dabei sollten die mit rechtem Populismus angestachelten Trotz- und Wutbürgerbewegungen der letzten Zeit doch zur Vorsicht mahnen.

Schlussendlich kann man sich jedoch darauf verlassen: Ein Verbot ist nicht durchsetzbar. Wenn es die Ordnungsliebhaber brauchen, bitte sehr. Wer dagegen knallen will, wird es weiter tun. Und wenn die Finger vom Böllern kalt sind, wird der Joint in der nächsten Kneipe helfen. So viel zum Thema Verbote. Erik Peter

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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