Pro Gaza-Demo in Berlin: Erleichterung und Skepsis
Erneut sind tausende Menschen für Palästina durch Mitte gezogen. Statt Wut überwiegen diesmal Erleichterung und Hoffnung, aber auch tiefes Misstrauen gegenüber Israel.
Die Großdemonstration, an der nach Polizeiangaben 14.000 Menschen teilnahmen, begann jedoch mit einer Blockade. Die Berliner Polizei verlegte kurzfristig den lange angekündigten Auftaktort vom Brandenburger Tor zur Straße des 17. Juni uns sperrte den Pariser Platz für offensichtliche Teilnehmende der propalästinensischen Demonstration. „Damit es nicht zu Vermischungen mit anderen Veranstaltungen kommt“, wie ein Polizist etwas umständlich erklärte. Damit meinte er vor allem eine proisraelische Kundgebung, die mit 20 Teilnehmenden etwas abseits vor der Commerzbank ihren Platz hatte. Die „United 4 Gaza“-Teilnehmer*innen mussten einen Umweg in Kauf nehmen, die Veranstaltung startete verspätet. Der wortgewaltige Moderator auf dem dezibelstarken Lautsprecherwagen sprach von „Schikane“. Die Polizei, die mit 850 Beamt*innen aus mehreren Bundesländern vertreten war, nahm gleich zu Beginn mehrere Personen fest – eine sei ein wiedererkannter Straftäter gewesen, die anderen, weil sie gegen diese Festnahme protestierten. Ansonsten blieb die Veranstaltung friedlich.
Erst nach über anderthalb Stunden setzte sich der Zug langsam, aber lautstark in Bewegung. Tausende Menschen aller Altersgruppen betonten auf zahlreichen Schildern, dass ein Waffenstillstand nicht reiche und forderten ein Ende von Besatzung und Apartheid: „Palästina ist nicht frei, bis jeder Palästinenser zurück in seine Heimat kommt“, rief ein Sprecher. Weitere Schilder übten harsche Kritik an Israel und dem Zionismus.
Eine der zahlreichen Redner*innen war Kübra Cinar, die mit der Global Sumud Flotilla medienwirksam versucht hat, die Seeblockade zu durchbrechen und von der israelischen Armee verhaftet wurde. Sie berichtete von Folter und Misshandlungen und kritisierte das Schweigen und eine „Komplizenschaft“ Deutschlands an Israels Vorgehen in Gaza. Man könne sich nicht auf Deutschland verlassen, so Cinar, „aber wir werden nicht schweigen“-
Organisiert wurde „United 4 Gaza“ von einer Initiative palästinensischer Aktivist*innen, um „der palästinensischen Perspektive Gehör verschaffen – in einem Land, das sie systematisch ausblendet“, wie es auf der Website heißt. Mit dem Motto knüpfte sie an die gleichnamige Großdemo am 21. Juni an, als zehntausende Menschen zum Platz der Republik strömten.
Ein Sprecher der Initiative ist der Palästinenser Abed Hassan, der selbst die ersten fünf Wochen dieses Gazakriegs miterleben musste. „Wir sind psychisch krank geworden“, von fünf engen Freunden in Gaza seien nur noch zwei am Leben. Seine Forderungen sind klar: „Wir setzen uns gegen die strukturelle Apartheid des Staates Israel gegenüber den Palästinensern ein, für echte Souveränität und das Rückkehrrecht der Palästinenser“, so Hassan. Zwar gebe es eine „riesengroße Skepsis, weil man der israelischen Besatzung in der Vergangenheit nicht trauen konnte“. Dennoch empfinde er Erleichterung: „Meine größte Hoffnung ist, dass die palästinensischen Parteien, dass die palästinensische Zivilgesellschaft selbst darüber bestimmen kann, wie die Zukunft der Palästinenser in Palästina aussieht.“
Dann zog die Demo los und die Straße des 17. Juni gehörte wieder den Tourist*innen. Nur ein propalästinensischer Aktivist stand noch dort, festgehalten von einer kleinen Gruppe Polizisten.
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