Pro und Contra zum Friedensnobelpreis: Kein Frieden, kein Preis?

Überall auf der Welt herrscht oder droht Krieg. Grund genug, den Friedensnobelpreis nicht zu verleihen. Oder gerade doch.

Selbst ein Preis für Helmut Kohl wäre besser als gar keiner. Bild: dpa

PRO

Einen kurzen Moment lang im Februar gab es drei Kandidaten für den Friedensnobelpreis: Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski. In Kiew, noch während nebenan auf dem Maidan geschossen wurde, erreichten die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen, dass sich der amtierende ukrainische Präsident und die Oppositionsführer auf einen Ausweg aus der Krise einigten.

Das wäre eine Auszeichnung wert gewesen. Leider war die Abmachung schon nach wenigen Stunden wieder hinfällig. Aber immerhin haben es die drei mal probiert. Ähnliche Initiativen sucht man seither trotz aller Konflikte in der Ukraine, im Nahen Osten, in Zentralafrika und anderswo vergeblich. Geeignete Kandidaten für den Friedensnobelpreis sind somit Mangelware.

Konsequent wäre daher nur eine Entscheidung: Kein Frieden? Kein Preis! So ist man doch auch während der beiden Weltkriege und auch Mitte der 1960er Jahre verfahren, als der Vietnamkrieg und der Nahostkonflikt die Weltlage dominierten.

Statt eines Preisträgers sollte das Nobelkomitee besser eine Liste mit Kandidaten fürs nächste Jahr veröffentlichen. Als Ansporn. Für Putin und Obama. Für Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Hamas-Chef Chaled Meschal. Für Syriens Präsident Baschar al-Assad, IS-Kalif Abu Bakr al-Baghdadi und einen Vertreter der Freien Syrischen Armee. Denn nur wenn sie über ihren Schatten springen, kann es Frieden geben.

Das klingt utopisch, aber auch nicht utopischer als die Vorgabe von Alfred Nobel. Der stiftete sein Preisgeld für Menschen, die sich für die Abschaffung der Heere, das Abhalten von Friedenskongressen oder für die Verbrüderung der Völker einsetzen. (GEREON ASMUTH)

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CONTRA

Natürlich kann auch der Nobelpreis nicht plötzlich Frieden auf Erden schaffen. Das hat er noch nie. Aber wenn dieser Preis einen Sinn hat, dann jetzt erst recht. Gerade weil die beiden aktuellen Großkonflikte um die Ukraine und den IS-Terror so deprimierend unfriedlich verlaufen.

Die Nachrichten im Jahr 2014 laden ohnehin dazu ein, in Schwermut zu versinken. Warum sollte man dann auch noch den Friedensnobelpreis absagen? Was könnte eine solche Geste bewirken? Dass jene, die derzeit Krieg führen, dann auf einmal innehalten, die Verwerflichkeit ihres Tuns erkennen und die Waffen sinken lassen? Wohl kaum.

Auf den Ernst der Lage muss man auch nicht mehr hinweisen. Dafür reicht ein Blick in jede Zeitung. Und wenn vermittlungswillige Politiker noch nicht gemerkt haben, dass sie gerade viel zu tun haben, sind sie ohnehin ungeeignet. Kein Preis heißt nur: Wir haben auf der ganzen Welt niemanden gefunden, der mit seinen Taten Mut macht. Frustrierender ginge es nicht.

Was soll es hingegen schaden, ein Vorbild zu feiern, das wenigstens ein bisschen Ansporn gibt? Muss ja kein neuer Gandhi sein. Auch von Schlichtern in kleineren Ländern lässt sich etwas lernen. Und statt mit vergeblichen Friedensbemühungen zu hadern, sollte man jene feiern, die Kriegsflüchtlinge versorgen.

Eine Nichtverleihung in Oslo wäre auch ein seltsames Zeichen an den nichtwestlichen Teil der Welt. Denn Kriege und Krisen gab es schon immer – oft mit viel mehr Toten als in den aktuellen Kampfgebieten. In Ruanda etwa. Und jetzt, nur weil im Westen die Konflikte mit Russland und dem IS gerade für uns bedrohlich erscheinen, sollten wir den Friedensnobelpreis canceln? Alles wäre besser als ein solches eurozentrisch geprägtes Signal. Selbst ein Preis für Helmut Kohl. (LUKAS WALLRAFF)

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Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Twitter: @gereonas Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de Foto: Anke Phoebe Peters

seit 1999 bei der taz, zunächst im Inland und im Parlamentsbüro, jetzt in der Zentrale. Besondere Interessen: Politik, Fußball und andere tragikomische Aspekte des Weltgeschehens

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