Probetraining beim Touch Rugby: Berührt und abgeschlagen
Ein queeres Berliner Team macht mir den Einstieg ins Touch Rugby leicht. Hier sind alle willkommen, unabhängig von Geschlecht oder Körperbau.
T ouch? Was soll das denn sein?“, denke ich mir, als mich eine befreundete Person zu einem Training einlädt. Als ich dann erfahre, dass es sich um eine Variante des Rugby handelt, wird meine Skepsis noch größer. Ich denke an Sportunterricht. Halbstarke Jungs. Tacklings, bei denen sich einer aus meiner Klasse sogar den großen rechten Zeh gebrochen hat. Spiele, bei denen einem die stinkende Achselhöhle des Gegners ins Gesicht gedrückt wird.
Klingt nicht so besonders einladend, wenn ihr mich fragt. Trotzdem fahre ich freiwillig in die Turnhalle, man muss ja mal was versuchen. Fast zehn Jahre habe ich die stickige Luft, das Neonlicht und den quietschenden Boden nun nicht mehr erlebt. Schon nach den ersten Minuten wird mir aber klar: Touch Rugby ist nicht das Rugby aus meiner Schulzeit.
Es ist eine kontaktlose Version, bei der nicht getackelt, sondern „getoucht“ wird – also nur mit der Hand berührt. Wird man so abgeschlagen, muss man den Ball auf den Boden legen. Punkte werden gemacht, wenn man den Ball mit seinem Team über die gegenüberliegende Ziellinie verfrachtet.
Ist doch ganz einfach, denke ich, und bin beim ersten Spiel erst mal gnadenlos verwirrt. Komisch finde ich, dass das Spielfeld über die lange Seite der Turnhalle verläuft, also extrem breit, dafür aber ungewohnt kurz ist.
Zu großer Ball in zu kleinen Händen
Später lerne ich dann, dass das nur eine Trainingsvariante für uns ist. Puh! Und dann fangen plötzlich alle an, rückwärts zu laufen, während ich damit beschäftigt bin, den viel zu großen Ball in meinen viel zu kleinen Händen unterzubringen. Ich weiß nicht, wann ich „touch!“ rufen muss. Und mir ist nicht klar, was es genau heißt, den Ball zu „legen“.
Aber zum Glück ist die Gruppe super offen und geduldig. Ich fühle mich auch wohl, weil ich in einem queeren Team trainiere. Hier sind alle willkommen, unabhängig von Geschlecht, Erfahrung oder Körperbau. Und es gibt kein Herabblicken, keine Prahlerei, sondern echtes Interesse, neue Leute mitzunehmen. Ich merke: Auch wenn ich keine Ahnung habe, kann ich mitspielen.
Und das macht diesen Sport so besonders. Rugby ist traditionell männlich geprägt und verschließt sich teilweise feministischen Neuausrichtungen. Seit 2022 schließt die International Rugby League trans Athletinnen von internationalen Frauenwettbewerben aus. Gleichzeitig wächst aber das Interesse an Frauen- und Mixed-Rugby. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen: In einer Kneipe irgendwo in den schottischen Highlands neben einem Fußballplatz lief nicht etwa Champions League der Männer, sondern Women’s Rugby World Cup.
Es bewegt sich also etwas. Trotzdem wäre, glaube ich, das Tackeln nicht wirklich etwas für mich. Touch Rugby ist da eine echte Alternative. Es geht nicht lediglich um Kraft, sondern auch um Wendigkeit, Schnelligkeit, Kommunikation, Überblick – und vor allem Teamgeist. Gerade in einem Sport, in dem klassische Körperkonfrontation wegfällt, können sich viel mehr Menschen wohlfühlen.
Beim Training, nach einer kurzen Pause, sage ich zu meinem Friend: „War doch gar nicht so anstrengend.“ Dey schaut mich an und grinst: „Hast du dich mal angesehen?“ Und tatsächlich: Ich bin knallrot, völlig außer Atem – aber glücklich. Ich habe einen Ball gefangen!
Ich habe zum ersten Mal seit Langem eine Teamsportart gespielt, bei der ich mich nicht deplatziert gefühlt habe. Einzig mein rechter großer Zeh tut weh.
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