Problem Hirnhautentzündung: Antibiotika mit Nebenwirkung

Schon lange wird vermutet, dass Antibiotika in der Tiermast zu Resistenzen beim Menschen führen. Nun wird dies durch eine Studie einer industriefreundlichen Behörde untermauert.

Die haben Platz. Wenn es eng wird, häufen sich Krankheiten. Dagegen werden Antibiotika eingesetzt. Bild: Patrik Tschudin | CC-BY

BERLIN taz | Der Einsatz von Antibiotika in der Tiermast erhöht die Gefahr, dass diese wichtigen Medikamente bei Menschen nicht mehr wirken. Das geht aus einer neuen Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hervor. Damit bestätigt das industriefreundliche Amt eine wesentliche Kritik, die etwa Umweltschützer seit Langem gegen medikamentenintensive Tierfabriken ins Feld führen. Antibiotika werden eingesetzt, um Infektionskrankheiten in den Ställen vorzubeugen oder ausgebrochene Krankheiten zu behandeln.

Die EU-Kommission hatte die Studie in Auftrag gegeben, weil immer mehr Bakterienarten gefunden werden, die gegen Antibiotika unempfindlich sind. Besonders gravierend ist das im Fall der Wirkstoffgruppe Cephalosporine der dritten und vierten Generation, denn laut Weltgesundheitsorganisation gehören sie zu den wenigen Präparaten zur Behandlung etwa einer bakteriellen Hirnhautentzündung oder einer Salmonellen-Infektion bei Kindern. Sollten die Medikamente in Zukunft unwirksam werden, lassen sich manche Krankheiten schlechter als bisher behandeln.

Klingt beunruhigend, aber warum werden die Bakterien überhaupt resistent gegen die Antibiotika? Eine Ursache ist, dass Menschen mit den Medikamenten behandelt werden: Je mehr die Bakterien den Antibiotika ausgesetzt werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Keime etwa durch Mutation unempfindlich werden. Doch auch Tiere bekommen Antibiotika, und auch hier können die Bakterien Resistenzen entwickeln.

Hühner am meisten betroffen

Über Produkte von den Tieren – etwa Fleisch – können die Keime auf Menschen überspringen. Dieser Pfad lasse sich damit belegen, dass die Keime in den Tieren genetisch identisch sind mit denen, die in Menschen nachgewiesen wurden, schreiben die Efsa-Wissenschaftler. Außerdem führen sie unter anderem eine Studie aus Kanada an: Als dort Geflügelbrütereien in mehreren Regionen zur Seuchenvorbeugung nicht mehr Cephalosporine in die Eier spritzten, habe es sowohl in Geflügelfleisch als auch bei Menschen weniger gegen das Antibiotikum unempfindliche Bakterien gegeben.

Unter allen Tieren, mit denen Lebensmittel produziert werden, wurden antibiotikaresistente Bakterienstämme laut Efsa am häufigsten in Hühnern gefunden – meistens waren es die Keimarten Salmonellen und Escherichia coli, zu denen auch die nach ihrem letzten Ausbruch in Deutschland berühmt-berüchtigten Ehec-Erreger gehören.

Warum vor allem Hühner betroffen sind, lässt die Studie offen. Auffällig ist allerdings, dass die Anzahl der Tiere in einem Stall hier besonders groß ist: 40.000 Hühner in einem Betrieb sind in Deutschland keine Seltenheit. Und je mehr Tiere auf engstem Raum zusammenleben, desto leichter kann sich ein antibiotikaresistenter Keim ausbreiten.

"Zusätzlicher Risikofaktor ist der umfangreiche Tierhandel in den EU-Staaten"

"Ein zusätzlicher Risikofaktor ist der umfangreiche Tierhandel in den EU-Staaten", heißt es in der Efsa-Studie weiter. Denn mit den Tiertransporten quer über den Kontinent reisen auch die unempfindlichen Bakterien quer durch Europa.

Die Wissenschaftler weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nur zwei Unternehmen mehr als 85 Prozent des europäischen Marktes für Großelterntiere beherrschen, aus denen Hühner für die Fleischproduktion gezüchtet werden. Wenn ein antibiotikaresistenter Keim in einer dieser beiden Firmen auftritt, könnte er also schnell auf eine ganze Reihe von Betrieben überspringen.

Um die Gefahr in den Griff zu bekommen, empfiehlt die Efsa, dass Tierproduzenten weniger Antibiotika benutzen. Besonders effizient wäre es den Wissenschaftlern zufolge, Nutztiere überhaupt nicht mehr mit Cephalosporinen der dritten und vierten Generation zu behandeln. Als Kompromiss, schließen die Experten, könnte die EU den Einsatz dieser Medikamente nur unter bestimmten Umständen zulassen.

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