Professor über Medienoffensive: „Google ist kein Wohltätigkeitsverein“

Google investiert jetzt auch in Journalistenschulen. Mit dabei: die Hamburg Media School. Warum, erklärt Professor Stephan Weichert.

Kabel sind zu einem Google-Schirftzug zusammengelegt

Google. Gut vernetzt Foto: dpa

taz: Herr Weichert, Google hat das „University Network“ gestartet: Das Unternehmen schickt Ausbilder an und gibt Geld für Journalistenschulen. Der Leiter der Henri-Nannen-Schule, Andreas Wolfers, sieht darin „Landschaftspflege“, Journalistik-Professor Volker Lilienthal von der Uni Hamburg warnt vor „Kritikhemmung bei guten Bekannten“. Warum sind Sie dabei?

Stephan Weichert: Ich erkenne aktuell keine Gründe für Berührungsängste. Bei dieser Initiative geht es um die Vernetzung von Aus- und Weiterbildungseinrichtungen, die der Frage nachgehen, wie wir Studenten und Journalistenschüler von morgen ausbilden. Der Journalistenberuf ist zweifellos datengetriebener und technologieabhängiger geworden, dieser Entwicklung müssen wir Rechnung tragen. Google und die Partner verfolgen ein gemeinsames Ziel: Beide wollen dazu beitragen, dass es weiterhin ein gesundes Informationsökosystem gibt, in dem der Journalismus eine zentrale Rolle spielt.

Journalistenschüler sind die Berichterstatter von morgen. Wenn Google sie nun gleich am Anfang an die Hand nimmt – wie groß ist das Risiko, dass sie in eine Abhängigkeit laufen?

Google ist kein Wohltätigkeitsverein, sondern der mächtigste Tech-Gigant der Welt. Journalisten übersehen gerne, dass Google schon lange einen Teil seines gigantischen Vermögens in Bildung und Wissen investiert. Dabei verfolgt der Konzern natürlich ein wirtschaftliches Eigeninteresse, will aber der Gesellschaft auch etwas zurückgeben. Es gibt etliche von Google geförderte Sozial- und Bildungsinitiativen. Viele Medien nehmen zudem Googles „News Fellowship“-Programm in Anspruch oder beteiligen sich an der „Digital News Initiative“ (darunter auch die taz, Anm. d. Red.) – obwohl Verlage im Vorfeld kritisch darüber diskutiert haben.

Vielleicht auch, weil Google geschickt mit der Not der Medienbranche spielt?

Es ist naiv anzunehmen, dass Google glauben könnte, sich die Medien für ein bisschen Förderung kaufen zu können. Ich finde es im Gegenteil eher peinlich, dass im Moment eigentlich nur Google Förderprogramme in einer sichtbaren Größenordnung auslobt.

43, Professor für Journalismus und Kommunikationswissenschaft an der Hamburg Media School.

Samsung partnert für die Nachrichten-App Upday mit Axel Springer. Auch Apple bindet Nachrichten in sein Betriebssystem ein. Und Facebook sucht gerade einen „Head of News Partnerships“.

All diese Konzerne bauen intern journalistische Kompetenzen auf. Über ihre Rolle müssen wir kritisch diskutieren, wenn sie versuchen sollten, Einfluss auf die unabhängige Berichterstattung zu nehmen. Ich halte es deshalb für unabdingbar, dass diese Unternehmen Selbstkritik zulassen. Google tut das in hohem Maße, und ich nehme an, dass sich auch Facebook der Forderung nach mehr Transparenz bald stellen wird.

Steht am Ende die Abhängigkeit des Journalismus von den Tech-Konzernen und der -Szene als Ganzes?

Journalismus darf sich nicht von den Tech-Konzernen abhängig machen, aber er muss auf sie zugehen, um ihre Innovationszyklen zu verstehen. Alle Medienmacher wollen Technologie verstehen, idealerweise antizipieren. Dafür müssen nicht alle Journalisten programmieren können. Die Tech-Unternehmen sind auf journalistische Inhalte angewiesen. Gleichzeitig müssen Medienmacher ihre Inhalte über ihre Plattformen transportieren, wenn sie die Nutzer weiterhin erreichen wollen. Dafür braucht der Journalismus den Zugang zur Technologie und ihren Machern.

Und wenn bei der Ausbildung viel Technik dazukommt, fliegt der Inhalt raus?

Ich sehe keinen Kannibalisierungseffekt. Meine Studenten haben – in Kooperation mit Bento – gerade 360-Grad-Videos produziert. Statt eine klassische Printreportage zu schreiben, lernen sie digitales Storytelling. Neue Technik setzt auf klassisches Handwerk auf. Ausbildung muss flexibel sein und neue Technologien ausprobieren. Nicht alles ist journalistisch sinnvoll, aber einiges wird den Beruf grundlegend verändern. Der Markt wird sich noch stärker ausdifferenzieren: Es wird Studiengänge für Datenjournalismus geben und Schulen für Virtual-Reality-Journalisten. Der digitale Journalismus erfährt dank der neuen Technologien einen Boom, der nicht nur mich als Ausbilder freut.

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