Projek „Survey“ im Harz und in Bayern: Überlebensstrategien für Fichtenwälder in der Klimakrise
Im Projekt „Survey“ untersuchen Forscher*innen, wie Fichtenwälder gerettet werden können. Das Ziel ist auch eine gesellschaftliche Debatte.

Einer, der ihm die Daten dafür geliefert hat, ist Andreas Bolte. Er leitet das Thünen-Institut für Waldökosysteme in Eberswalde, eine Ressortforschungseinrichtung des BMLEH. Seit Mitte 2025 koordiniert Bolte gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) das Projekt „Survey“. Dessen Ziel ist es, über repräsentative Experimentalflächen Daten und Handlungsoptionen für Mittelgebirgs-Fichtenwälder zu gewinnen, die durch die Klimakrise bedroht sind, geschädigt.
Zwei dieser „Waldreallabore“ liegen im Harz, eines in Niederbayern. Es geht um neue Wege konzertierten Waldmanagements, und die Partner reichen vom Quedlinburger Julius-Kühn-Institut für Waldschutz bis zur Technischen Universität Dresden. Die untersuchten Parameter reichen vom Wasserhaushalt bis zum Stoffkreislauf. Verglichen wird, was besser funktioniert: Wiederaufforstung wie bisher? Den Wald sich selbst überlassen, in Naturverjüngung? Oder Baumarten pflanzen, die gegen die Klimakrise besonders gut gewappnet zu sein scheinen?
„Wir beobachten alle Ökosystemleistungen“, sagt Bolte. Das Projekt wolle „die Diskussion erden“, denn: „Im Moment reden wir ja alle wie die Blinden von der Farbe. Niemand hat ein Allheilmittel. Es fehlt an grundsätzlichem Wissen.“ Die Lösung werde in Vielfalt bestehen: „Wir suchen hier ja nicht den Kompromisswald, auf den sich alle einigen können“, sagt Bolte. „Wir züchten nicht den Superbaum.“
Deutschlands Wälder stehen nicht nur durch die Klimakrise unter Druck. Die Holzindustrie sieht sie als Profitquelle, der Spaziergänger sucht in ihnen Erholung, der Jäger Beute. Der Naturschützer sieht sie anders als der Touristiker, der Mountainbiker, der Bauwillige.
Ein paar dieser Akteursgruppen sind ins „Survey“-Projekt eingebunden; es koppelt Forschung und Praxis. „Letztlich geht es ja um die Frage: Wie steht unsere Gesellschaft zum Wald?“, sagt Bolte. „Was erwartet sie von ihm? Diese Debatte muss in aller Breite geführt werden, nicht nur durch Experten.“
Von den Experimentalflächen werden „digitale Zwillinge“ erstellt, erklärt Bolte. „Mit Hilfe von Computermodellierungen lassen sich so Szenarien durchspielen, auch für die fernere Zukunft.“ Zudem lassen sich die im Harz und in Niederbayern gewonnenen Erkenntnisse verallgemeinern. Das Problem im Problem: Viele ignorieren die Dramatik der Situation, auch in der Politik. „Leugner des Klimawandels wie die AfD zum Beispiel“, sagt Bolte. „Wer leugnet, dass es ihn gibt, menschengemacht, muss das Klima eben auch nicht schützen.“
Mit der Politik, zumal der bundesministeriellen, kennt sich das Thünen-Institut für Waldökosysteme aus. Es berät sie. „Aber unsere Forschung ist unabhängig“, betont Bolte.
Es gelte, „nicht nur die Wiederbewaldung und den Waldumbau der Freiflächen zu betrachten, sondern auch grundlegend andere Konzepte der Waldbewirtschaftung zu untersuchen“, schreibt Dorothea Epperlein, Kampaignerin Waldwende von Greenpeace. „Eine minimalinvasive Forstwirtschaft, die sich anhand von Referenzflächen an der Naturdynamik orientiert. Wir müssen den klimaresilienten Wald nicht erfinden, sondern aufhören, die Wälder als Holzplantagen zu behandeln.“
Wer Wälder analysieren will, braucht vor allem eins: Zeit. Die drei Jahre, auf die das Mitte 2025 gestartete „Survey“-Projekt ausgelegt sind, werden also nicht reichen. „Das reicht weit über meine Lebensspanne hinaus“, sagt Bolte.
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