Protest-Camp: Occupy soll die Zelte abbrechen

Das Occupy-Camp muss bis Freitag aufgelöst sein. So will es die Eigentümerin des Geländes, die Bundesimmobilienanstalt. Ihr Chef persönlich überbrachte die Nachricht.

Sie sollen weg vom Gelände des ehemaligen Bundespressestrands. Bild: dapd, Adam Berry

Um Viertel nach 12 hält der schwarze Mercedes mit dem schlichten Nummerschild "B : 8", direkt auf dem Gehweg vorm Occupy-Camp. Heraus tritt ein groß gewachsener Mann mit schwarzem Mantel und dunkelrotem Schal: Jürgen Gehb, Chef der Bundesimmobilienanstalt (Bima). Wenig später ist klar: Die Tage für das Zeltlager sind gezählt. Bis Freitag sollen die Demokratieaktivisten ihr Camp auf dem ehemaligen Bundespressestrand verlassen. Geschieht dies nicht, will die Bima als Eigentümerin des Geländes auf Räumung klagen.

Dass der Montag eine besondere Asamblea bereithält, hatten die Aktivisten geahnt: Tags zuvor kursierte ein Aufruf, das Zeltlager für einen Besuch der Bima "gastlich herzurichten". Dass der Bima-Chef persönlich vorbeikomt, ahnten die Occupisten nicht. Schnell werden am Montag noch Bierbänke unter eine Hütte getragen, Gehb setzt sich mit zwei Gefolgsleuten ins Rund. Draußen beginnt es zu regnen.

Ein frohes Neues wünsche er, sagt Gehb. "Ganz ernst gemeint." Mehr gute Nachrichten hat er nicht dabei. "Wir müssen Sie leider auffordern, bis Freitag, 12 Uhr, das Gelände zu übergeben." Sonst werde er "fünf nach zwölf" Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs stellen und eine Räumung beantragen. Die Asamblea bleibt ruhig. Vorerst.

Seit dem 9. November haben die Aktivisten das Gelände am Spreeufer mit bunten Zelten besetzt - und so die Pläne der Bima durchkreuzt. Die wollte das Areal bereits Mitte Dezember an ein Baukonsortium übergeben, damit dort das neue Bundesbildungsministerium entstehen kann. Er sei von einem Abteilungsleiter im Bundesfinanzministerium ins Camp geschickt worden, habe eigens seinen Heimaturlaub in Kassel unterbrochen, erzählt Gehb. "Wir wollten nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen." Nun müsse man handeln, um nicht vertragsbrüchig gegenüber Partnern zu werden. Diese Position sei "leider in keiner Weise verhandelbar".

Es ist ein Aufeinanderprallen zweier Welten. Hier Gehb, ehemaliger Richter und CDU-Bundestagsabgeordneter, der auf Latein römische Sprichwörter zitiert und seine Beiträge gerne mit "so ist nun mal die Rechtsordnung" beendet. Dort die Occupisten, meist junge Leute, die ihre Repliken mit zustimmenden, in der Luft wedelnden Händen quittieren.

"In meinem Wortschatz gibt es kein alternativlos", sagt ein junger Mann mit Lederjacke. "Wir sind hier, um Kompromisse zu finden." Ein anderer betont, auch die Position des Camps sei "nicht verhandelbar". "Wir wollen hier keine Behörde ärgern, sondern ein berechtiges, demokratisches Interesse vertreten."

Die Stimmung sinkt. Ein Mann mit Wollmütze beschwert sich, wie ein Bittsteller dazustehen. "Bei allem Respekt, ich habe das Gefühl, die Bima hat uns nie auf Augenhöhe behandelt." Wäre Gebh mit "friedlichen Absichten gekommen", hätte er einen "adäquaten Ersatzplatz" angeboten. Gehb zieht die Schultern empor. "Den habe ich nicht."

Bereits im Dezember hatte die Bima mit den Aktivisten über Ersatzgrundstücke verhandelt: eine Etage im Haus der Statistik am Alexanderplatz oder ein Biergartengelände am Spreeufer. Erfolglos. Weil sich die Occupisten nie einig waren, sagt die Bima. Weil die Gelände nicht für ein Zeltlager taugten, so die Occupisten.

Am Montag kritisieren die Aktivisten auch die Pläne für das Bildungsministerium. Zu teuer seien diese, zu intransparent. Und zudem auch noch erstmalig für einen Ministerialbau zusammen mit einem Privatkonsortium entworfen. "Warum können wir da nicht mitreden?", fragt ein Aktivist. "Das ist doch Volkseigentum, wir sind alle Eigentümer." Ein älterer Protestler wittert ein "Millionengrab". Er jedenfalls werde nicht gehen, sondern alle "demokratischen Möglichkeiten" für den Verbleib des Camps nutzen. Wirbelnde Hände schnellen in die Luft.

Sonst bleibt es bemerkenswert höflich dafür, dass Gehb nichts anderes als die Räumung anzubieten hat. Wiederholt danken die Occupisten "für den offenen Austausch". Gehb nimmt sich Zeit, ganze zwei Stunden, am Ende überreicht ihm jemand ein Geschenk: Ein aufgeweichtes Brett mit einem angetackerten Foto vom Camp. Es dürfte das letzte Präsent bleiben. Am Dienstagabend will das Camp über das weitere Vorgehen beraten. Die Stimmung bisher: Wir bleiben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.