Protest gegen Corona-Maßnahmen: Bloß nicht ignorieren!

Die Proteste sind ein Zeichen für eine lebendige Zivilgesellschaft, auch wenn Rechte versuchen, sie zu kapern, findet der Demokratieforscher.

Corona-Demonstranten in München: Ein Mann steht vor zwei Polizisten und hält ein Schild mit dem Wort Freiheit hoch

Die Bilder aus den Medien mahnen allerdings zu Differenzierung Foto: Sachelle Babbar/zuma/imago

Zum Glück gibt es sie: Menschen, die gegen die Beschneidung von Grundrechten protestieren. Ihr Engagement ist ein Anhaltspunkt für eine lebendige demokratische Zivilgesellschaft. Die Mehrheit der Corona-Demonstrant*innen bietet darum keineswegs Anlass zu Sorge, sondern Zuversicht. Indes: Nicht jeder, der sich den Grundrechtsschutz auf die Fahnen schreibt, hat diesen auch im Sinn. In Berlin, Pirna und Stuttgart sind nicht nur besorgte Bürger*innen (ohne Anführungszeichen) unterwegs, sondern auch Demokratieskeptiker und in der Wolle gefärbte Rechtsextreme.

Die genaue Protestzusammensetzung ist wegen fehlender wissenschaftlicher Daten derzeit kaum aufzuschlüsseln. Die Bilder aus den Medien mahnen allerdings zu Differenzierung: Es gibt große Unterschiede in Größe wie Zusammensetzung der Kundgebungen. Dabei scheint es Rechten im Osten besser zu gelingen, sie zu kapern, womöglich auch wegen geringerer Teilnehmerzahlen und größerer politischer Homogenität (verglichen mit den Demos im Westen). Verschwörungsmythen dienen als Türöffner. Vereinnahmungsversuche sind zwar nicht überraschend, aber angesichts antidemokratischer Ziele besorgniserregend.

Trotz variierender Protestanlässe drängt sich der Vergleich zu Pegida- und Anti-Asyl-Demos auf. Waren diese aber im Osten weiter verbreitet als im Westen, verhält es sich aktuell umgekehrt. Alle drei Phänomene waren anfangs sozial wie politisch heterogen, am stärksten aber wohl die Corona-Demos. Zugleich: Stehen „Impfgegner*innen“ und „Esoteriker*innen“, die häufig als Beleg für die politische Buntheit angeführt werden, automatisch politisch links? Damals wie heute herrscht in Teilen eine medien- und demokratiefeindliche Stimmung. Die Begriffe „Spaziergang“ und „Lügenpresse“ erleben ebenso eine Renaissance wie Gewalt gegen Journalist*innen und Polizist*innen. „Corona“ dürfte die Gesellschaft keineswegs gespalten, sondern die seit einigen Jahren bestehenden gesellschaftlichen Fronten nur weiter verhärtet haben. Der Grundkonflikt tritt mit verschiedenen Themen immer wieder in Erscheinung.

Darum gibt es wenig Grund, die Proteste politisch zu ignorieren, selbst wenn sie – ähnlich wie die Pegida- und Anti-Asyl-Demos – irgendwann wahrscheinlich im Sande verlaufen werden. Da die Mehrheit abgeschreckt sein dürfte von antisemitischen sowie anderen Verschwörungsmythen und die Corona-Maßnahmen auf lange Sicht verschwinden, werden am Ende wohl – wieder – die Radikalen übrig bleiben und bis dahin ihre Ideen unters Volk gebracht haben.

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