Protest gegen Flughafenverfahren in Berlin: Gegen Abschiebung am Airport

Am neuen Großflughafen in Berlin-Brandenburg ist ein Abschiebezentrum geplant. Wohlfahrtsverbände fordern einen Stopp des Projekts.

Für manche Flüchtlinge soll hier die Reise enden: Flughafen Berlin-Brandenburg. Bild: dpa

BERLIN taz | Ein Bündnis von Flüchtlingsverbänden, Kirchen und Wohlfahrtsverbänden fordert angesichts der Planung eines Abschiebezentrums am neuen Berliner Großflughafen den Stopp der Asylschnellverfahren an Flughäfen. Die Länder Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung sollten auf die Errichtung in Schönefeld verzichten, verlangen rund 20 Verbände und Institutionen in einer Stellungnahme, die sie am Freitag in Berlin veröffentlichten.

Am neuen Berliner Großflughafen, der im Juni eröffnen soll, planen Landes- und Bundesregierung den Bau einer "Gewahrsahmsnahmeeinrichtung". Dort sollen Flüchtlinge nach dem 1993 beschlossenen Flughafenverfahren direkt inhaftiert und nach Prüfung ihres Asylgesuchs ggf. sofort abgeschoben werden können. Die Befragung erfolgt nach Ankunft, über die Annahme des Asylantrags wird innerhalb von zwei Tagen entschieden, innerhalb von drei Tagen kann Einspruch eingelegt werden.

"Das Flughafenverfahren umgeht das geltende Asylrecht", sagte Beate Selders vom Flüchtlingsrat Brandenburg. "Eine anwaltliche Verteidigung der Rechte des Flüchtlings ist im Flughafenverfahren angesichts der kurzen Fristen unmöglich", erklärte Berenice Böhlo vom Republikanischen Anwaltsverein. Das Flughafenverfahren wird derzeit an fünf deutschen Flughäfen angewandt, 90 Prozent der Verfahren finden in Frankfurt am Main statt. Bernd Mesovic von Pro Asyl spricht von einer "strukturellen Unfairness", die sich auch in drei empirischen Untersuchungen gezeigt habe, die seine Organisation zum Flughafenverfahren durchgeführt habe.

Die Errichtung der Anlage soll die Landesregierung Brandenburg nach Mitteilung der Flüchtlingsverbände rund 50.000 Euro kosten. Zuständig für Betreuung wie Bewachung der Flüchtlinge soll die private Sicherheitsfirma B.O.S.S. sein; eine Ausschreibung fand nicht statt. Das neue Abschiebegefängnis soll für 300 Verfahren im Jahr ausgelegt sein - eine Zahl, die bei Experten Verwunderung auslöst.

Hardlinerposition unterstreichen

Zwischen 1999 und 2008 wurden auf dem Flughafen Schönefeld nur 47 Asylanträge gestellt, in den letzten drei Jahren wurde ein einziger Antrag dort im Flughafenverfahren verhandelt. "Da fragt man sich schon: Was soll das?", meint Selders. Der Bau solle wohl vor allem auch als Symbol dienen, um die Hardlinerposition der Bundesregierung in der EU-Flüchtlingspolitik zu unterstreichen.

Die EU-Kommission erarbeitet derzeit neue Richtlinienvorschläge zum Asylverfahren und könnte das deutsche Flughafenverfahren darin verbieten. Im Mai 2010 hatte die Landesregierung Brandenburg beim Bundesministerium des Innern angefragt, ob es die Entscheidung über den Neubau bis zur Entscheidung der EU verschieben könne - das Bundesministerium antwortete, dass dies die deutsche Verhandlungsposition schwächen könnte.

Die Vertreter der Verbände sehen die Landesregierungen in der Pflicht: Diese könnten den Bau stoppen. Der Regierung in Brandenburg stünde "ein bisschen ziviler Ungehorsam" gut zu Gesicht, so Andreas Kaczynski vom Paritätischen Landesverband Brandenburg. Die Landesregierung Brandenburg weist dies zurück: Sie habe mehrfach versucht, vom Bundesinnenministerium die Erlaubnis zur Einstellung des Verfahrens zu bekommen, erklärt Ingo Decker, Pressesprecher des Brandenburger Innenministeriums. Dies sei jedoch verweigert worden.

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