Protestbewegung in Südkorea: Paranoia provoziert Proteste

60.000 Menschen protestierten im November in Südkorea. Die repressive Regierung Park Geun Hyes erklärt Kritiker oft zu Agenten.

Ein Mensch trägt eine Maske und Protestschilder

Eine Teilnehmer*in der Maskenparade am 5. Dezember. Foto: dpa

SEOUL taz | Wenn südkoreanische Regierungsvertreter um das Image ihres Landes im Ausland besorgt sind, greifen sie zum Telefon. So rief Anfang Dezember der New Yorker Generalkonsul beim US-Magazin The Nation an, um mit dem verantwortlichen Redakteur einen kritischen Artikel „diskutieren“ zu wollen. Als „Diktatorentochter“ wurde darin die amtierende Präsidentin Park Geun Hye bezeichnet, die in die Fußstapfen ihres Vaters Park Chung Hee trete. Der hatte das Land in den 60er und 70er Jahren mit eiserner Faust regiert. Auch die New York Times wählte in einem Kommentar ähnlich scharfe Worte.

Die Antwort des Generalkonsuls fiel diesmal höflicher aus – in Form eines Leserbriefs: „Die südkoreanische Regierung bleibt weiterhin voll und ganz den demokratischen Werten sowie dem Rechtsstaat verpflichtet“, schrieb der Diplomat. Im Inland sehen das immer mehr Kritiker anders.

„Wir sollten ernsthaft darüber nachdenken, wie die Regierung Demokratie begreift. Vieles, das wir als Repressionen verstehen, scheint von ihrer Sichtweise aus betrachtet als gerechtfertigt“, sagt Se Woon Koo, der mit Koreaexpose ein alternatives Onlinemagazin betreibt. Für die konservative Regierung genieße die innere Sicherheit höchste Priorität, zudem wird sie von einer anachronistisch anmutenden Antikommunismus-Paranoia angetrieben. Politische Opposition würde schnell unter dem Vorwand mundtot gemacht, pronordkoreanisch zu sein.

Mitte November fanden die größten Antiregierungsdemonstrationen seit über acht Jahren statt. Über 60.000 Menschen marschierten durch Seouls Innenstadt. Die Agenda der Demonstranten war vielfältig: Einige protestierten gegen das Regierungsvorhaben, in den Oberschulen nur noch staatliche Geschichtsbücher zuzulassen. Andere marschierten gegen geplante Arbeitsmarktreformen, die es den großen Konglomeraten noch einfacher machen würden, Kündigungen auszusprechen.

Wasserwerfer gegen Demonstranten

Der Internationale Gewerkschaftsbund zählt Südkorea weltweit zu den Ländern, in denen die Rechte von Arbeitern am stärksten missachtet werden – in einer Reihe mit China, Bangladesch und Nigeria. Südkoreas Arbeiter seien „systematisch ungerechten Entlassungen, Einschüchterungen, Verhaftungen und Gewalt” ausgesetzt.

Als die Demonstranten in Richtung Präsidentensitz marschierten, kesselte die Polizei sie mit Hunderten aneinander geparkten Polizeibussen ein. Einige militante Aktivisten schlugen mit Baseballschlägern auf Fenster der Busse ein. Polizisten reagierten mit Pfefferspray und Wasserwerfern. Ein 69-jähriger Bauer wurde aus kurzer Distanz im Gesicht getroffen und liegt seitdem im Koma. Videoaufnahmen zeigen, wie Polizisten den Wasserwerfer auf den bereits reglos am Boden liegenden Demonstranten richten, auch als ihn Helfer bereits in einen Rettungswagen ziehen.

Gewerkschafter riefen schon bald zu Folgeprotesten auf. Die Präsidentin verhängte ein generelles Vermummungsverbot – mit der absurden Begründung, dass sich IS-Terroristen unter die Demonstranten schleichen könnten. Diese antworteten am 5. Dezember mit einer Maskenparade, die jede Halloween-Party in den Schatten gestellt hätte. Laut Angaben der Polizei zogen rund 14.000 Menschen durch Seouls Innenstadt. Die Polizei hielt sich mit ihrer Präsenz zurück – und die Demo blieb friedlich.

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