Proteste gegen Abtreibungsverbot in Polen: „Diese Regierung abtreiben!“

Erneut demonstrieren aufgebrachte Frauen am Montag landesweit gegen die geplante Verschärfung des Abtreibungsrechts.

Viele Menschen mit Regenschirmen

Demonstration gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechtes am Montag in Warschau Foto: reuters

WARSCHAU taz | Sylwia überragt alle anderen Demonstrantinnen. „Es kommen immer mehr“, freut sich die 19jährige nach einem Rundblick über die „Bratpfanne“, dem Platz vor der Warschauer Metrostation Centrum. Gemeinsam mit ihrer Mutter Helena steht sie in der langen Schlange vor einem schwarzen Zelt, um die Frauen-Petition mit elf Forderungen an die national-populistische Regierung zu unterschreiben.

Ein junger Mann, ebenfalls ganz in schwarz gekleidet, verteilt solidarisch Flugblätter mit dem Text der Petition: „Nein zu Verachtung und Gewalt gegen Frauen!“ steht an erster Stelle, dann „Nein zur Einmischung der Kirche in die Politik“ und „Nein zur Politik in der Schule“. In über 100 Orten Polens demonstrieren am Montag aufgebrachte Frauen.

Helena, die noch vor zwei Jahren Mathematik und Physik an einem Warschauer Gymnasium unterrichtete, empört sich: „Unser Land verwandelt sich immer mehr in eine katholische Diktatur. Die Priester reden uns sogar in unseren Unterricht an der Schule rein, es muss gebetet werden, überall hängen Kruzifixe.“

Die Rentnerin atmet tief durch: „Gut, dass die Polinnen endlich solidarisch zusammenstehen und für ihre Rechte demonstrieren.“ Die Schlange rückt weiter vor. Noch fünf Frauen, dann wird sie endlich an der Reihe sein und die Petition unterschreiben können.

Die Zeit zurückdrehen

Ihre Tochter Sylwia, die ebenfalls Mathematik-Lehrerin werden will, nickt. „Wir dachten, wir wären frei – nach dem Kommunismus, den ich schon nicht mehr erlebt habe. Meine Eltern und Großeltern haben für meine Generation die Freiheit erkämpft. Und nun will die Regierung Polens zusammen mit der katholischen Kirche die Zeit zurückdrehen.“

Sie holt ein handgemaltes Plakat aus der großen schwarzen Stofftasche. „Das trage ich nachher auf der Demo vor dem Kulturpalast“, sagt sie und hält das Plakat in die Höhe: „Ich wünsche, ich könnte diese Regierung abtreiben!“ Ihre Mutter will nicht zurückstehen: „Hier ist mein Plakat“, ruft sie gegen den enormen Lärm an: „Das freie Polen ist eine Frau!“ liest sie laut vor und setzt hinzu: „Ich hätte auch schreiben können „Bischöfe, haltet Euch raus aus meiner Gebärmutter!“.

Sie dreht sich um und greift nach einem Kugelschreiber, um die Frauenpetition zu unterscheiben. „Wie viele Unterschriften haben wir schon?, fragt sie und hört als Antwort: „Über viertausend!“ Dann greift sich Sylwia den Stift und unterschreibt.

Plötzlich wird es ohrendbetäubend laut. Pro-Life-Anhänger mit großen Plakaten, auf denen Hitler neben in Blut schwimmenden Föten zu sehen ist, blasen mit Trillerpfeifen und Wuwuzelas in Megaphone, die zusätzlich an Lautsprecher angeschlossen sind. Einige Frauen fordern die stämmigen Pro-Life-Männer auf, die Frauendemo zu verlassen und vor allem sofort die Megaphone auszuschalten.

„Feiglinge, Feiglinge!“

Doch Polizisten mit dicken schusssicheren Westen stellen sich schützend vor die Pro-Life-Männer. „Das ist unsere Demo“ schreit eine junge Demonstrantin und versucht die Lautsprecher umzuwerfen. Doch die Polizisten stehen ganz klar auf Seiten der Männer, die den Frauen hämisch grinsend den Stinkefinger zeigen.

Sylwia und Helena sehen sich stumm an, gehen zu der Pro-Life- und Polizisten-Gruppe, zeigen den Männern das Plakat “Ich wünsche, ich könnte die Regierung abtreiben“ und beginnen zu skandieren „Feiglinge, Feiglinge“, bis alle Frauen einfallen „Feiglinge, Feiglinge“.

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