Proteste gegen Kohlekraft: Zahlenschlacht um den Ausstieg

Vor Beginn der Kohlekommission fordern Umweltverbände schnellen Ausstieg. Konzerne drohen mit Schadenersatzforderungen.

Demonstranten in Berlin

„Allerhöchste Zeit, rauszugehen“: Protestaktion unweit des Kanzleramts Foto: dpa

BERLIN taz | Am Dienstag ist es so weit: Dann tagt in Berlin erstmals jene Kommission, die bis zum Jahresende ein Konzept für die Zukunft der Kohlenutzung in Deutschland entwickeln soll. Ein Entwurf für die Geschäftsordnung sieht vor, dass die Sitzungen meist ohne Öffentlichkeit hinter verschlossenen Türen stattfinden. Umso lauter haben diverse Mitglieder im Vorfeld noch einmal ihre Erwartungen an das Gremium formuliert.

In mehreren deutschen Städten gab es am Sonntag Protestaktionen gegen Kohle. In Berlin gingen gut 2.000 Menschen – und damit weniger als von den Veranstaltern im Vorfeld erwartet – auf die Straße, um einen kompletten Kohleausstieg bis spätestens 2030 zu fordern. „Es ist allerhöchste Zeit, rauszugehen aus der Kohle“, sagte Martin Kaiser, der für Greenpeace in der Kommission mitarbeiten wird.

Nur mit einem Ausstieg bis 2030 könnten die Ziele aus dem Pariser Klimaabkommen eingehalten werden. Diese Forderung richte sich aber nicht gegen die Beschäftigten der Reviere, sagte er. „Die Kohlekumpel sind nicht unsere Gegner.“ Sie hätten ein Recht auf „Ehrlichkeit und Planungssicherheit“, so Kaiser.

Antje Grothus, die als Sprecherin der Initiative Buirer für Buir in der Kommission mitarbeitet, forderte bei der Demonstration, während der Arbeit des Gremiums keine neuen Fakten zu schaffen. „Kein Baum darf im Hambacher Wald mehr fallen“, rief sie unter großem Beifall.

Ganz anders äußerte sich am Wochenende Rolf Martin Schmidt, Chef des Energiekonzerns RWE, der die Braunkohletagebaue im Rheinischen Revier betreibt. Ein Kohleausstieg bis 2030 sei nicht machbar, sagte er der Rheinischen Post. Zudem kündigte er an, im Fall eines vorzeitigen Ausstiegs Schadenersatz zu fordern. „Wer zu früh aus der Kohle aussteigt, wird dafür teuer bezahlen müssen“, drohte er.

„Klimapolitischer Totalausfall“

Unterstützung bekam RWE von Michael Kreuzberg, Landrat des Rhein-Erft-Kreises und ebenfalls Mitglied der Kommission. „Ich hätte dafür Verständnis“, kommentierte er die Schadenersatzdrohung. Ein Gutachten im Auftrag des Thinktanks Agora Energiewende war zuvor allerdings zu dem Schluss gekommen, dass ein entschädigungsfreier Ausstieg möglich sei, sofern die Kraftwerke älter als 25 Jahre seien.

Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte im RBB, der Ausstieg aus der Kohle könne in Deutschland nicht vor 2030 geschehen. Das Mandat für die Kohlekommission sieht vor, die Kapazitäten bis dahin lediglich zu halbieren. Dieses Ziel ließe sich aber auch schon bis 2025 erreichen, erklärte unterdessen die Bundesnetzagentur, die Altmaiers Ministerium unterstellt ist. In seinem jüngsten Szenario geht das Amt davon aus, dass die Kapazitäten schon 2025 halbiert sein werden.

Christoph Bautz, Geschäftsführer des Protestnetzwerks Campact, griff Altmaier bei der Demonstration vor dem Kanzleramt wegen seiner zögerlichen Haltung scharf an. „Wer sich dem Klimaschutz entgegenstellt, ist ein klimapolitischer Totalausfall“, rief er. „Und ein solcher Totalausfall gehört abgelöst.“

Die Kohlekommission, die offiziell „Kommission Wachstum, Strukturwandel, Beschäftigung“ heißt, hat 31 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften, Regionen und Umweltverbänden. Sie war im Koalitionsvertrag vereinbart worden und soll Vorschläge für neue Arbeitsplätze in den Kohleregionen entwickeln sowie einen Fahrplan für das Abschalten der Kohlekraftwerke inklusive eines Ausstiegsdatums festlegen.

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