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Proteste gegen Magdeburger TheaterstückTheater Magdeburg sieht rote Linie überschritten

Rechte Demonstrierende wollen ein Theaterstück zum Anschlag auf den Weihnachtsmarkt verhindern. Das Stück befindet sich noch in der Konzeptionsphase.

Das Magdeburger Opernhaus ist eines von mehreren Standorten des Viersparten-Theaters Foto: Andreas Lander
Birger Stepputtis

Aus Magdeburg

Birger Stepputtis

„3 Minuten“ lautet der Arbeitstitel eines Stückes, dessen Konzeption das Theater Magdeburg in Auftrag gegeben hat. Ziel sei es, so das Theater, einen Raum zur Aufarbeitung der Amokfahrt auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20. Dezember 2024 mit sechs Toten zu schaffen. Am 23. Mai 2026 soll die Premiere stattfinden. Dagegen fand am 9. November eine Demonstration statt, es wurde aufgerufen, das Theaterstück zu verhindern. Das Theater sieht einen Angriff auf die Kunstfreiheit. Am Stück wolle man festhalten.

Zwischen 50 und 100 Personen versammelten sich am 9. November vor dem Magdeburger Opernhaus, einem der beiden Standorte des Theaters in der Magdeburger Innenstadt. Im Gebäude sitzen auch Verwaltung und Intendanz des Theaters des Jahres der Spielzeit 2024/25.

Ein Video aus dem Umfeld des Theaters, das der taz vorliegt, zeigt die Versammlung vor dem Gebäude. Ein Redner ruft dazu auf, die Stimme zu erheben, „gegen das Theaterstück, gegen deutschlandhassende Ideologie“. In einem Demoaufruf in den sozialen Medien heißt es, eine Verarbeitung des Anschlags durch ein Theaterstück sei „makaber“ und „pietätlos“.

Es wird außerdem kritisiert, dass das Theater sich am Leid der Opfer kommerziell bereichern wolle. Dem Theater zufolge waren einschlägige rechte Gruppierungen an der Demonstration beteiligt. Laut Theater seien Veranstaltungen gestört und Be­su­che­r*in­nen beschimpft worden.

Nicht tolerierbar

„Es geht nicht darum, sofort die Kunstfreiheit ins Feld zu führen, wenn es Kritik gibt“, sagt Bastian Lomsché, Schauspieldirektor und Chefdramaturg des Theaters, im Gespräch mit der taz. „Aber wenn gesagt wird, man möchte ein Theaterstück, das es noch nicht einmal gibt, mit allen Mitteln verhindern, dann ist das nicht tolerierbar.“

Gleich nach dem Anschlag kurz vor Weihnachten 2024 habe man Räume zur Verfügung gestellt und ein Gedenkkonzert organisiert. Man wollte aber auch mit den eigenen Mitteln des Theaters in die Beschäftigung mit der Gewalttat kommen und einen Raum für Auseinandersetzung schaffen.

„Wir wissen nicht, wie das geht, für so etwas gibt es keine Blaupause“, sagt Lomsché, „aber wir glauben daran, dass man das nicht aussparen kann.“ Um das Projekt auf „sichere Beine zu stellen“, holte man Anfang des Jahres den Regisseur Sebastian Nübling und den Autor Kevin Rittberger an Bord. Beide leben nicht in Magdeburg.

Mehrmonatige Recherche in der Stadt

Rittberger recherchierte mehrere Monate in der Stadt, führte zahlreiche Gespräche. Im Januar ist eine erste Besprechung des Stückes geplant. Bis dahin lasse man den Autor in Ruhe arbeiten. Wie genau Rittbergers künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema aussehen wird, wisse man noch nicht.

Sicher sei hingegen, dass der Anschlag selbst nicht Gegenstand der Inszenierung sein wird. Man verstehe die Kritik am Arbeitstitel „3 Minuten“, da dieser impliziere, die Gewalttat werde auf der Bühne nachgestellt. Der offizielle Titel werde anders lauten. Drei Minuten dauerte die Todesfahrt des Täters, gegen den kürzlich der Prozess begann.

Dass man sich an dem furchtbaren Ereignis bereichern wolle, weist Julien Chavaz, Generalintendant des Theaters, zurück: „Es kostet uns Geld, Theater zu machen. Es gibt Einnahmen, aber die decken vielleicht zehn Prozent der Kosten jeder Inszenierung.“ Den Vorwürfen läge ein „falsches Theaterverständnis“ zugrunde.

Angst habe man ob der offenen Drohungen der Demonstrierenden nicht, beteuern Lomsché und Chavaz. „Wenn wir sowas hören, müssen wir aber Logistik betreiben, um unsere etwa 440 Arbeitnehmer zu schützen“, so Chavaz.

Auch der Vater des beim Anschlag getöteten 9-jährigen André nahm an der Demonstration teil. „Wir haben absolutes Mitgefühl, er hat alles Recht der Welt, sich so zu positionieren und zu äußern“, sagt Lomsché. Man stehe auch mit der Mutter des Jungen in Kontakt, ein Treffen ist geplant. Jetzt gehe es darum, in den Dialog zu kommen und Missverständnisse auszuräumen.

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8 Kommentare

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  • Es ist ein Unding, die Demonstration hier in die rechte Ecke zu schieben und damit auch das Anliegen der Angehörigen so zu framen.



    Das Argument des Theaters gegen den Vorwurf aus dem Attentat Profit zu schlagen ist auch bescheuert: "Es kostet uns Geld, Theater zu machen.". Der Stadt und ggf. weiteren Geldgebenden kostet es das Geld. Und dann so überheblich mit falschem Theaterverständnis zu kommen.



    Der Arbeitstitel ist tatsächlich derbe makaber und alle Kritik daran gerechtfertigt.

  • Wenn auch Betroffene unter den Protestierern sind, sollte das Theater Magdeburg evtl. hinterfragen, ob es nicht noch zu früh für diese künstlerische Art der Verarbeitung ist. Zumal der Gerichtsprozess, also die juristische Verarbeitung, noch läuft. Trauer und Trauma braucht Zeit, es ist ein offener, individueller Prozess. Und es ist heilsam, wenn die Trauernden selbst aktiv werden können, und keine fertige Deutung von außen aufgedrückt bekommen. Dieses Projekt benötigt in jedem Fall viel Fingerspitzengefühl.

  • Schon komisch. Die originäre Demo war der Presse kaum eine Nachricht wert. Aber die Reaktion des Theaters geht durch diverse Medien. Da werden dann auch gleich große Worte geschwungen. Richtig theatralisch möchte man meinen, wird von Theaterstück Verhindern gesprochen und Eckpfeiler der Demokratie die in Gefahr sind. Auch wenn ich den Grund der Demo nicht wirklich nachvollziehen kann, Frage ich mich. Welche Macht so ein Theaterstück zu verhindern sollen denn eine Handvoll Demonstranten haben? Und ist Demonstrieren dürfen nicht gerade ein Ausdruck einer funktionierenden Demokratie?



    Oder geht es doch nur um Aufmerksamkeit? Dann aber bitte nicht auf diese Weise.

  • Also eine Demo wie viele andere , ob links ob rechts, auch.

  • Das Projekt befindet sich noch in der Konzeptionsphase. Könnte man mit Protesten nicht warten, bis das Konzept und das Rohdrehbuch bzw. der Rohtext steht? Wenn dieses da ist, dann auf dessen Basis mit den real Betroffenen (sprich den Personen bzw. ihren Angehörigen, die damals auf dem Weihnachtsmarkt waren und physische und psychische Gesundheitsschäden erlitten) reden, ob diese damit einverstanden sind.



    Jetzt kann doch niemand wissen, wogegen er oder sie demonstriert.

  • Ein Schauspieldirektor aus Sulzbach-Rosenberg heuert zwei Theatermacher aus Lörrach und Stuttgart an um den Ossis in Magdeburg bei der Aufarbeitung eines gesellschaftlichen Problems zu helfen? Es wurden aber zumindest viele Gespräche mit Einheimischen geführt im Vorfeld? Ungefähr so läuft die Kulturpolitik hier vor Ort ja eigentlich immer ab.



    Viel Glück allen Beteiligten aber diese Art des Dialogs ist hier nicht mehr sehr gefragt befürchte ich.

    • @Šarru-kīnu:

      Ich meine, sie verstehen das falsch. So ein Theaterstück ist keine Sozialarbeit und auch kein sozialer Dialog.

      Das Theaterstück dürfte sich eher mit dem gesamtgesellschaftlichen Problem beschäftigen und das ist eher wenig mit Magdeburg assoziiert.

      Ich sehe nicht, das die antislamische Radikalisierung eines Migranten aus Saudi-Arabien nun ein besonders ostlastiges bzw. magdeburgisches Problem ist.

      Ich denke, Magdeburg hat da einfach Pech gehabt, das der Idiot da in der Nähe arbeitete und wohnte.

      Das man als ostdeutsches Theater so einen Auftrag an Wessis vergibt kann man sicher kritisieren, aber überbewerten würde ich das bei einem Ost-Bevölkerungsanteil von ca. 20% nicht.

      • @Sonntagssegler:

        Es gibt in ganz Deutschland überhaupt nur ein namhaftes Theater mit ostdeutschem Intendaten. Insgesamt kommen nur 5% des Führungspersonals im Kulturbereich aus dem Osten. Derzeit sind zudem mehr als 5mal so viele Intendaten aus dem Ausland als aus Ostdeutschland an deutschen Bühnen beschäftigt. Diese minimale Repräsentanz gibt es zudem auch nur weil es kleine ostdeutsche Spielstätten gibt. Mir ist kein westdeutsches Theater bekannt, dass jemals einen ostdeutschen intendaten gehabt hätte. Hier bei uns ist das umgekehrt der Regelfall dagegen. Aber schön wenn Sie da kein Problem sehen.



        Sie glauben ernsthaft bei dem Theaterstück wird sich mit dem Islamismus des Täters auseinandergesetzt werden? Ich halte jede Wette es soll dagegen der ostdeutschen Besucherschaft des Theaters mal wieder der westdeutsche Spiegel vorgehalten werden. Genau diesem Umstand verdanken wir hier den völligen Absturz des Theaters in die Beduetungslosigkeit.