Proteste gegen Wahl im Iran: Staatsmacht droht mit Todesstrafe

Irans Oppositionsführer Mussawi hat zu weiteren Protesten aufgerufen. Derweil gehen Sicherheitskräfte gegen Kritiker vor: Weitere Reformer wurden verhaftet, "Aufrührern" Todesstrafe angedroht.

Bilder der Opposition: Im Iran zu sehen bei Flickr (wie dieses hier). Bild: reuters

TEHERAN reuters/dpa/ap | Im Iran sind nach Angaben aus Oppositionskreisen zwei weitere prominente Regierungskritiker festgenommen worden. Der Herausgeber der Wirtschaftszeitung Sarmajeh, Said Lailas, und der Reformer Mohammadresa Dschalaiepur seien am Mittwochmorgen in Gewahrsam genommen worden, hieß es in Kreisen der Reformer. Lailas hatte sich als politischer Beobachter mehrfach kritisch über die Wirtschaftspolitik und andere Vorhaben der Regierung von Präsident Mahmud Ahmadinedschad geäußert. Er wird häufig von ausländischen Medien zitiert.

Ein Provinz-Staatsanwalt warnte unterdessen einer Agenturmeldung zufolge, den Aufrührern könne die Todesstrafe drohen. Es gehe um wenige Elemente, die vom Ausland gesteuert versuchten, die innere Sicherheit zu stören, indem sie zu Zerstörung und Brandstiftung anregten, sagte der Generalstaatsanwalt der Provinz Isfahan, Mohammadresa Habibi, laut der Meldung der iranischen Nachrichtenagentur Fars. Er warne diese Leute, dass das Islamische Recht für Menschen, die den Krieg gegen Gott führten, die Hinrichtung vorsehe.

Drohungen gegen Onliner

Die Revolutionsgarden, die mächtigsten Streitkräfte des Landes, drohten zudem allen Online-Medien ernste Konsequenzen an: Iranische Websites und Blogger müssten jegliche Beiträge entfernen, die Spannungen schüren könnten, hieß es in einer Erklärung der Revolutionsgarden.

Dessen ungeachtet wurde auf einigen Websites, die der Opposition nahestehen, aber für Mittwochnachmittag zu weiteren Protestkundgebungen in der Hauptstadt Teheran aufgerufen. Mirhossein Mussawi hat auf seiner Internetseite seine Anhänger dazu aufgerufen, mit friedlichen Protesten der getöteten Demonstranten zu gedenken. "Einige unserer Landsleute sind verletzt oder zu Märtyrern geworden", erklärte Mussawi am Mittwoch und fügte hinzu: "Ich fordere die Bevölkerung dazu auf, ihre Solidarität mit den Familien auszudrücken." Dies könne durch den Besuch einer Moschee oder durch friedliche Demonstrationen geschehen. Daran werde auch er selbst teilnehmen.

Vermutlich 12 Tote bei Protesten

Wie aus verlässlichen Quellen verlautete, sind seit Beginn der Proteste mindestens fünf Menschen bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften getötet und zahlreiche Menschen festgenommen worden. Die Staatsmedien berichteten von weiteren sieben Toten. Die größte Protestwelle seit der Islamischen Revolution vor 30 Jahren hat seit Montag auch andere Städte des Landes erfasst. Verlässliche Berichte von dort gibt es jedoch nicht. Seit Dienstag gelten massive Einschränkungen für die Berichterstattung über die Proteste.

Angesichts des Rechercheverbots sind ausländische Medien auf Berichte von Augenzeugen oder von Anhängern Mussawis und dessen Webseite Ghalamnews angewiesen: Die vorwiegend jugendlichen Mussawi-Anhänger hatten sich bislang über Handy per SMS-Kurznachricht vernetzt. Da das seit Donnerstag abgeschaltet ist, bleibt nur noch das Internet. Darin sind Blogs und westliche Netzwerkdienste wie Facebook und Twitter zu den wichtigsten Informationsquellen geworden.

Überprüfung des Wahlergebnisses dauert zehn Tage

Der vom obersten Geistlichen Führer im Iran, Ayatollah Ali Chamenei, mit der Überprüfung des Wahlergebnisses beauftragte Wächterrat wird nach Auffassung des iranischen Botschafters in Berlin erst in rund zehn Tagen eine offizielle Erklärung zum Ergebnis der Präsidentschaftswahl abgeben. Im Fernsehsender Phoenix sagte Botschafter Ali Resa Scheich Attar am Dienstagabend: "Herr Mussawi hat gesagt, dass es bei den Wahlen verschiedene Ungereimtheiten gibt, und er hat acht verschiedene Themen erwähnt. Der Wächterrat braucht jetzt etwa zehn Tage, bis alles überprüft wird."

Der Wächterrat ist vom obersten geistlichen Führer Ajatollah Ali Chamenei nach den Protest damit beauftragt worden, die Fälschungsvorwürfe zu prüfen. Das Kontrollorgan zur Prüfung von Wahlergebnissen will dabei Berichten zufolge auch Mussawi anhören. Beobachter halten es für möglich, dass der Wählerrat zumindest eine teilweise Neuauszählung der Stimmen zulässt.

Laut dem offiziellen Ergebnis hat Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad die Wahl klar gewonnen. Dies bestreiten jedoch die Anhänger des reformorientierten Kandidaten Mir Hossein Mussawi.

Iran bestellt deutschen Botschafter ein

Der Iran hat den deutschen Botschafter und eine Reihe weiterer ausländischer Diplomaten in Teheran einbestellt, um gegen die angeblich "feindseligen" Reaktionen nach der Präsidentenwahl zu protestieren. Wie amtliche iranische Medien am Mittwoch berichteten, wurden auch die diplomatischen Vertreter Großbritanniens, Italiens, der Niederlande und Tschechiens, das gegenwärtig den EU-Ratsvorsitz innehalt, ins Außenministerium zitiert.

Die westlichen Regierungen seien aufgefordert worden, den Ausgang der Wahl zu respektieren und sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einzumischen. Westliche Regierungen hatten eine Aufklärung der Wahlfälschungsvorwürfe gefordert und sich besorgt über die Gewalt gegen Demonstranten und die Pressezensur geäußert.

US-Präsident Barack Obama vermied es unterdessen, in dem Konflikt Partei zu ergreifen. Für ihn sei der Unterschied zwischen dem Wahlsieger Mahmud Ahmadinedschad und seinem unterlegenen Herausforderer Mir Hussein Mussawi nicht so groß wie dargestellt, sagte er dem US-Sender CNBC.

Die iranische Friedensnobelpreisträgerin und Anwältin Schirin Ebadi schloss sich den Forderungen der Demonstranten nach einer Neuwahl an. Dann solle der Urnengang aber unter Beobachtung internationaler Organisationen stattfinde, sagte sie in einem Telefoninterview mit dem US-Sender Radio Free Europe in Prag.

Nach Augenzeugenberichten blieb es bei der Demonstration am Dienstag ruhig, vor allem weil die Polizei Zusammenstöße zwischen Anhängern beider politischer Lager verhindert habe. Die Polizei sei sichtlich freundlicher als in den vorigen Tagen gewesen, als es zu schweren Straßenschlachten gekommen war.

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