Proteste im Sudan: Frühling unter Sturmwolken

Ein Jahr nach der Sezession des Südens mehren sich auch im Norden die Proteste, Grund ist die wirtschaftliche Lage. Auch in der Regierungspartei brodelt es.

Verliert an Boden: Sudans Präsident Omar Hassan al-Baschir. Bild: dpa

NAIROBI taz | „Shit! Zeinakhodr @AlJazeera im Norden Khartums von Polizei verhaftet. Bitte Büro Al-Jazeera kontaktieren!“, informiert eine Twitter-Nachricht aus der sudanesischen Hauptstadt über die Festnahme eines Mitarbeiters des arabischen TV-Senders al-Dschasira. Andere folgen: „Warum ignorieren wir die Revolte im Sudan?“, und: „Wir müssen nicht Millionen auf der Straße sehen, um sagen zu können, dass sich gerade etwas ganz grundlegend ändert!“

Ein Jahr nachdem der Sudan seinen Süden verlor, bricht jetzt offenbar die Zeit der politischen Veränderung auch im Norden an. Seit dem 16. Juni protestieren hier mit wechselnder Intensität überwiegend – aber nicht nur – Studenten gegen die Regierung des autoritär herrschenden Präsidenten Omar Hassan al-Baschir, auf den ein internationaler Haftbefehl ausgestellt ist.

Dass im Sudan Hunderte auf die Straße gehen, ist bereits eine Revolution. Seit Jahrzehnten schlagen die wechselnden islamistischen Regierungen Proteste so brutal nieder, dass die Bevölkerung ausgesprochen vorsichtig ist. Auch diesmal gehen die Sicherheitskräfte unerbittlich gegen friedliche Demonstranten vor.

Niemand weiß, wie viele Journalisten und andere Oppositionelle in den vergangenen Wochen hinter Gittern verschwanden. Die Regierung verbot drei Zeitungen. Auslöser der jetzigen Unruhen: Am 16. Juni hatte die Regierung drastische Sparmaßnahmen verordnet. Dazu gehörten die Rücknahme der Benzinpreissubventionen und Steuererhöhungen.

Verdoppelte Lebensmittelpreise

Unmittelbar nach dieser Ankündigung zogen zwischen 100 und 200 Demonstranten durch Teile der Hauptstadt, verbrannten Autoreifen, errichteten Straßensperren und warfen Steine nach den Sicherheitskräften. Sie verlangten, die Sparpläne zurückzunehmen, und den Rücktritt der Regierung. Proteste gibt es aber nicht nur in der Hauptstadt Khartum. Grund, sagen Experten, sei die Wirtschaftskrise. In den vergangenen Monaten haben sich die Preise für Zucker, Obst und den öffentlichen Transport teils verdoppelt.

Kein Zweifel: Der Sudan leidet massiv unter den Folgen der wirtschaftlichen Konflikte mit dem Südsudan, der im Sommer 2011 unabhängig wurde. Seitdem der Südsudan im Januar seine Ölförderung einstellte, bleiben in Khartum die Einnahmen aus den Transitgebühren für das südsudanesische Öl aus.

Zusätzlich belasten die Kriege, die das Regime in Khartum weiterhin gegen Rebellen in Darfur und in den Nuba-Bergen der Provinz Südkordofan führt, die Wirtschaft. 70 Prozent ihres Haushalts gibt die Regierung für das Militär aus. Wegen der drastischen Einnahmeverluste bleibt kaum etwas für Staatsausgaben zugunsten der Bevölkerung.

Dabei sind die Straßenproteste für Baschir noch nicht einmal das größte Problem. Noch gefährlicher ist für ihn die wachsende Opposition innerhalb der Regierungspartei, der Nationalen Kongresspartei. Das Londoner Institute of War & Peace Reporting spekulierte in seinem jüngsten Bericht, ob für Baschir der Anfang vom Ende gekommen sei. Der Präsident sei selbst innerhalb der führenden Parteimitglieder inzwischen völlig isoliert. Grund auch hier: die marode Wirtschaft. Baschirs wichtigstes Machtinstrument war es seit seinem Putsch 1989, die Opposition zu kaufen. Dafür fehlt ihm jetzt das Geld.

Kein neuer arabischer Frühling

Kommt nun also der Arabische Frühling nach Khartum? Davon kann keine Rede sein, meint die deutsche Sudanexpertin Marina Peter, die das Land seit Langem beobachtet. „Die Proteste gegen die sudanesische Regierung haben schon lange vor den Revolutionen in Tunesien oder Ägypten angefangen“, sagt sie. „Das Regime hat nur jede Opposition jedes Mal so brutal niedergeschlagen, dass die internationale Öffentlichkeit von den Protesten kaum etwas mitbekam.“ Zudem seien die vielen Kriege in Darfur, in den Nuba-Bergen und auch im Osten Sudans an der Grenze zu Eritrea ein klarer Ausdruck des Protests, wenn auch mit nichtzivilen Mitteln.

Im Sudan ist – anders als in Libyen oder Ägypten vor der Revolution – bereits ein islamistisches Regime an der Macht. In Tunesien, Libyen und Ägypten begehrten die Menschen gegen weltliche Diktatoren auf. Bei den auf den Umsturz folgenden Wahlen profitierten die Islamisten. Im Sudan ist derzeit noch relativ unklar, wer die zivile Opposition überhaupt ist und wie viele Anhänger sie hat. Auch einen allseits anerkannten Oppositionsführer gibt es nicht.

Und schließlich ist für eine erfolgreiche Revolution immer auch die Unterstützung der Streitkräfte nötig. Aber die gelten als Baschir gegenüber immer noch absolut loyal. Dafür reicht sein Geld noch – gerade.

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