Proteste in Bolivien: Machtkampf fordert sechs Tote

Die Ausschreitungen in Bolivien nehmen kein Ende. Währenddessen ringen die Parteien um eine politische Lösung.

Frauen bauen Barrikaden

Unterstützerinnen von Evo Morales bauen Barrikaden auf eine Straße in El Alto Foto: Natacha Pisarenko/ap

LA PAZ taz | In Bolivien mehren sich die Zeichen, dass sich die politischen Parteien um eine Lösung der Krise bemühen. Gleichzeitig herrscht weiter Gewalt. Am Montag kamen 6 Menschen ums Leben, rund 25 wurden verletzt.

Die Menschen starben bei einer gemeinsamen Operation von Polizei und Armee an der Brennstoffanlage Senkata in El Alto, der Nachbarstadt von La Paz. Seit Tagen hatten Demonstrierende, die die Übergangsregierung von Jeanine Áñez ablehnen und teilweise eine Rückkehr von Präsident Evo Morales fordern, die Anlage blockiert.

Wegen der Blockade war in La Paz kein Benzin und Diesel mehr angekommen. Auch der Nahverkehr war betroffen, die städtische Müllabfuhr holte nur noch an potenziellen Infektionsherden den Müll ab. Am Montag hatte die Übergangsregierung bekannt gegeben, La Paz künftig von Peru und Chile aus mit Brennstoff zu versorgen und parallel mit den Blockierer*innen zu verhandeln.

Doch am Dienstag versuchten Polizei und Armee, Treibstoff aus der Anlage nach La Paz zu bringen. Dafür mussten sie die Blockade durchbrechen. Nach Angaben der Armee drangen Vandalen mit Sprengstoff in die Brennstoffanlage ein.

Mehr Tote und ein umstrittenes Dekret

Wie die Menschen zu Tode kamen, ist unklar. Als die bekannte Zahl der Toten bei drei lag, teilte das Büro der Ombudsfrau Nadia Cruz mit, sie seien durch Schüsse gestorben. Es forderte einen Rückzug der Streitkräfte, um weitere Tote zu verhindern, und einen kriminalisierenden Diskurs über die Protestbewegung zu vermeiden.

Verteidigungsminister Fernando López sagte abends, dass die Streitkräfte keinen einzigen Schuss abgegeben hätten. Die Teilnehmer*innen der Blockade würden Geld, Alkohol und Koka empfangen, damit sie Vandalismus begingen und Angst und Panik verbreiteten.

In den Unruhen nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 20. Oktober sind mindestens 29 Menschen gestorben, die meisten wohl in Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften. Die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte hat für Freitag eine Reise nach Bolivien angekündigt, um die Situation der Menschenrechte im Land zu beobachten.

Sie kritisiert ein Dekret der Übergangsregierung, das Soldat*innen Straffreiheit zusichert, die an Operationen teilnehmen, um die öffentliche Ordnung wiederherzustellen. Auch die bolivianische Ombudsfrau Nadia Cruz fordert, das Dekret zurückzunehmen. Sie legte Verfassungsbeschwerde ein.

Morales-Partei meidet Abstimmung

In vielen Teilen des Landes blockieren Gegner*innen der Übergangsregierung weiter Straßen. Parallel laufen Gespräche, um die Krise politisch zu lösen. Das Movimiento Al Socialismo (MAS), die Partei des nach Mexiko geflüchteten Präsidenten Evo Morales, hatte für Dienstagabend zu einer Sitzung im Parlament eingeladen, in dem es über eine Zweidrittelmehrheit verfügt. Die Sitzung sollte dazu dienen, miteinander zu sprechen und die Situation zu befrieden.

Doch Eva Copa (MAS), die Präsidentin der Legislativen Versammlung, sagte kurzfristig die Sitzung ab, um „ein geeignetes Klima für den Dialog und die folgende Befriedung des Landes zu schaffen“. „Wir wollen keine weiteren Toten, kein Blutvergießen mehr“, sagte Copa.

Mehrere Morales-nahe Bewegungen unter Führung der Kokabauern hatten in einem Ultimatum bis Dienstag, 24 Uhr, unter anderem den Rücktritt von Übergangspräsidentin Jeanine Áñez gefordert. Teile der Bewegungen wollen die Rückkehr von Morales.

Eva Copa, MAS

„Wir wollen keine weiteren Toten und kein Blutvergießen mehr“

Das schließt seine Partei aber aus, sagte eine MAS-interne Quelle der taz. Die Partei ist in einer schwierigen Situation. „Einige soziale Organisationen bitten darum, dass wir Morales' Rücktrittserklärung im Parlament ablehnen. Aber das würde das Land nicht befrieden.“ Deshalb wolle die MAS diese Abstimmung vermeiden.

Diesen Mittwoch tagt der Senat. Läuft alles gut, könnte schon am Donnerstag die Legislative Versammlung über die Formalitäten und den Termin für Neuwahlen abstimmen. Seine Partei garantiere diese jedenfalls, sagte MAS-Senator Milton Barón am Dienstag.

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