Proteste in Frankreich: Wenig Geld, viel Ärger
In Paris demonstrieren Zehntausende gegen die Revision des Arbeitsrechts. Auf der Agenda der Mobilisierung stehen noch einige weitere Termine.
PARIS taz | „Das nächste Mal werden eine Million Leute auf die Champs-Élysées strömen“, prophezeite Jean-Luc Mélenchon am Samstag am Ende des Marschs gegen den „sozialen Staatsstreich“ in Paris. Er ist überzeugt, dass der Unmut gegen die Politik des neuen Präsidenten Emanuel Macron zunehmen wird. Am Samstag waren mehrere Zehntausend dem Aufruf von Mélenchons France insoumise (das unbeugsame Frankreich) zu der landesweiten Kundgebung gefolgt.
Das war erst der Anfang, davon ist der Expräsidentschaftskandidat der „Unbeugsamen“ überzeugt. Die Umfragen scheinen ihm recht zu geben: Mehr als 60 Prozent äußern Verständnis für die Proteste. Das ist erstaunlich, denn nach Macrons Wahl war eine Mehrheit für eine Revision des Arbeitsrechts. Doch das Vorgehen der Regierung, die eine vom Parlament abgesegnete Dringlichkeitsprozedur ohne Debatte über die einzelnen Artikel einsetzt, hat einen Umschwung bewirkt: 58 Prozent sind nun gegen die Reformen.
Macron unterzeichnete am Freitag fünf erste Verordnungen zur Lockerung des Kündigungsschutzes und andere Änderungen des Arbeitsrechts, die sofort in Kraft treten. Auch für ihn ist das nur der Beginn. Weitere Reformen, die Macron in seinem Wahlprogramm versprochen hatte, sind in Vorbereitung.
Am Mittwoch wird der Entwurf für den Staatshaushalt für 2018 publiziert, der mit zahlreichen Ausgabenkürzungen und der Verringerung der Zahl der Beamten Gewerkschaften und die Linke provozieren wird. Macron will daher das Tempo beschleunigen, um zu verhindern, dass die Ablehnung seiner Politik in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu einer gemeinsamen Mobilisierung führt.
Am Montag wollen Lastwagenfahrer Blockaden errichten
Auf der Agenda der Mobilisierung gegen ein flexibles Arbeitsrecht stehen mehrere Termine: Am Montag wollen die gewerkschaftlich organisierten Lastwagenfahrer einem Aufruf der CGT und Force Ouvrière folgend Blockaden errichten. Am Donnerstag gehen die Rentner auf die Straße gegen eine geplante Erhöhung ihrer Steuern. Und für den 10. Oktober ist ein landesweiter Aktionstag des Öffentlichen Dienstes gegen den angekündigten Abbau von 12.0000 Stellen und den Lohnstopp vorgesehen.
Am meisten muss die Regierung aber Proteste der Studierenden fürchten. Ihre Wohnbeihilfe soll pro Monat um fünf Euro gekürzt werden. Das bringt wenig Geld in die Kasse, aber absehbar viel Ärger.
Leser*innenkommentare
60440 (Profil gelöscht)
Gast
Nun brüllt der selbsternannte "unbeugsame" Löwe Jean-Luc, der in ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl als Bettvorleger landete. Zu Recht und zum Glück für Frankreich.
Er sollte, statt Unsinn zu verzapfen und seine selbstbeigebrachten Wunden zu lecken, vielleicht mal was fürs Vaterland tun und seinen Präsidenten unterstützen. Wenigstens ein Mal im Leben konstruktiv sein ? Von seinen Ankündigungen des millionenhaften Protestes dürfte nicht viel übrig bleiben, wie bisher auch, das hinnverbrannte Gequatsche vom "sozialen Staatsstreich", kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein demokratisch gewählter Präsident mit Vollmachten des demokratisch gewählten Parlaments regiert. Die Legitimität dieser Regierung anzuzweifeln ist gefährlich und auch billig.
Vielleicht findet sich ja jemand, der dem Tölpel erklärt, was ein Staatsstreich ist.
Aber so redet ein enttäuschter, eitler Geck, der es nicht verwinden kann, verloren zu haben. Gegen ein besseres und mutigeres Programm und gegen einen besseren Kandidaten.
82236 (Profil gelöscht)
Gast
Macron handelt sich Ärger von allen Seiten ein. Poltisch ist er nicht in Gefahr, aber seine schwache Regierung, die sich bisher nur durch Inkompetenz und Arroganz hervorgetan hat und die Auseinandersetzung um die Arbeitsmarktreform nur unter den Schutz der Dringlichkeitsprozedur überstanden hat. Es stehen an 150 000 Entlassungen oder nicht Verlängerungen von "emploi aidé" das sind Stellen im Rahmen der staatlichen Arbeitsbeschaffung. 12 000 Stellen weniger im Öffentlichen Dienst bedeuten auch weniger Krankenschwestern, Ärtzte in öffentlichen Spitälern, wo die Lage jetzt schon äusserst angespannt ist. Mittelfristig läuft das auf eine verstärkte Privatisierung des Gesundheitssystems hinaus, also eine Ungleichbehandlung der Patienten. Da die Franzosen im Gegensatz zu den Deutschen einen ausgeprägten Sinn für Gleichbehandlung haben, wird es da grossen Ärger geben. Desweiteren wird es natürlich auch weniger Kindergärtnerin geben, was in einem Land, dass die staatliche Kinderbetreuung als Vorzeigemodell ausgibt auch nicht ohne weiteres hingenommen wird. Man wird sich auch fragen müssen, wie der Erziehungsminister die Massnahme Maximum 12 Schüler in der ersten Klasse durchsetzen kann, wenn er weniger Grundschullehrer zur Verfügung hat. Das Einfrieren der Löhne im öffentlichen Dienst ist nur die Fortsetzung eines nunmehr 6 jährigen Lohnstopps, was zu einer relativen Senkung der Löhne von über 10% geführt hat. Den untersten Lohngruppen mussten Ausgleichzahlungen geleistet werden, damit sie nicht unter den Mindestlohn fallen.
Wenn die Schüler und Studenten wieder einsteigen, wird die Regierung über die Klinge springen wie das bisher der Fall war. Macron will natürlich neue Parlamentswahlen verhindern wie Chirac 1997 nach Juppés Desaster. Denn jetzt schon würden bei Neuwahlen über die Hälfte der REM Abgeordneten aus der Nationalversammlung fliegen, aus Protest und weil sie wenig bis gar keine parlamentarische Arbeit leisten.