Proteste in Hongkong eskalieren: „Eine neue Ära zivilen Ungehorsams“

Die Demokratiebewegung hat den Hongkonger Finanzdistrikt besetzt. Die Sicherheitskräfte gehen mit Tränengas und Pfefferspray gegen die Aktivisten vor.

Kein guter Schutz: Regenschirme gegen Tränengas in Hongkong. Bild: reuters

HONGKONG dpa | Nach den bisher schwersten Zwischenfällen seit Beginn der prodemokratischen Demonstrationen in Hongkong droht eine Eskalation in Chinas Sonderverwaltungsregion. Überraschend begannen Aktivisten am Sonntag mit der lange angedrohten Besetzung des Finanzbezirks der asiatischen Wirtschaftsmetropole. Tausende Demonstranten belagerten den Regierungssitz und blockierten teilweise umliegende Straßen im Central genannten Geschäftsbezirk. Mehrere Hauptverkehrsadern Hongkongs wurden lahmgelegt.

Die Aktivisten wollen Druck auf die Regierung und die kommunistische Führung in Peking ausüben, freie Wahlen in Hongkong zu erlauben. Die Sicherheitskräfte versuchten mit Sperren und einem Polizeiring um die zentrale Demonstration vor dem Regierungssitz zu verhindern, dass sich mehr Hongkonger den Protesten anschließen können. Teilnehmer wurden aufgefordert, die „illegale Versammlung“ zu verlassen. Die Polizei setzte teilweise auch Pfefferspray gegen Demonstranten ein.

Die Lage hatte sich in der Nacht zugespitzt, als der Führer der Occupy-Central-Bewegung, Benny Tai, ankündigte, schneller als geplant mit der Besetzung des Finanzbezirks zu beginnen. Es sei Zeit, „sich zu erheben und zu handeln“. Eigentlich sollte die Besetzung des Finanzbezirks erst am Mittwoch mit ersten Aktionen wie einem „Bankett“ zum Nationalfeiertag eingeläutet werden.

Angesichts der Zwischenfälle bei den Studentenprotesten zum Ende eines einwöchigen Unterrichtsboykotts entschied sich die Occupy-Bewegung aber, ihre Drohung schneller umzusetzen. Viele Demonstranten brachten Wasser und Nahrungsmittel und wappneten sich mit Schutzbrillen gegen einen befürchteten Einsatz von Tränengas oder Pfefferspray.

Bis Sonntagmittag waren bei den dreitägigen Demonstrationen 78 Teilnehmer festgenommen worden, wie die Polizei berichtete. Am Vortag waren 29 Studenten und Polizisten verletzt worden, als die Proteste der Studenten eskalierten. Es waren die ersten schweren Zwischenfälle seit Beginn der jüngsten Protestwelle.

Keine freie Kandidatennominierung

Die Proteste entzündeten sich an einer Wahlreform, mit der Peking für 2017 zwar direkte Wahlen, aber keine freie Nominierung der Kandidaten erlaubt. Seit der Rückgabe 1997 an China wird die frühere britischen Kronkolonie Hongkong nach dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ als eigenständiges Territorium Chinas autonom regiert.

Aus Ärger über die Festnahmen demonstrierten am Samstag Zehntausende spontan vor dem Regierungssitz. Unter den Festgenommenen waren die drei Studentenführer Joshua Wong, Alex Chow und Lester Shum. Dem 17-jährigen Wong wurden Tätlichkeiten gegen Polizisten vorgeworfen.

„Eine neue Ära des zivilen Ungehorsams hat begonnen“, sagte Occupy-Führer Tai und erklärte, warum die Kampagne vorgezogen worden sei. „Wir mussten einfach auf sehr leidenschaftliche Bürger reagieren.“ Langjährige Oppositionspolitiker wie Martin Lee oder Audrey Eu und selbst Hongkongs Kardinal Joseph Zen traten in der Nacht vor den Demonstranten auf, um ihre Unterstützung für die Bewegung zu zeigen.

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