Proteste in Tunesien: Das Patriarchat brechen

Nur Frauen wie Faouzia Charfi und Amira Yahyaoui können die Rückkehr der alten Eliten stoppen und das Land in eine gute Zukunft führen.

Eine junge Tunesierin bei Protesten in Tunis im Februar 2015. Bild: Mohamed Messara / dpa

Tunesien 2015: Der Tunesische Frühling ist nicht wie in Ägypten und Libyen im Chaos versunken. Das Land hat eine neue Verfassung ausgearbeitet, eine neue, säkular orientierte Regierung gewählt. Ein demokratischer Fortschritt in der von Terror und Bürgerkrieg zerrissenen arabischen Welt.

Doch nach dem Hoch des erfolgreichen Sturzes des totalitären Regimes geht das Land durch die Tiefen der Ebene: Hohe Jugendarbeitslosigkeit, heruntergewirtschaftete Kommunen und alte Strukturen in Verwaltung und Polizeiapparat bremsen den Optimismus.

Besonders die jungen Menschen fühlen sich abgehängt und enttäuscht. Bei den Wahlen im Oktober hat nur jeder Vierte unter dreißig gewählt. Der zähe gesellschaftliche Umbau hat den revolutionären Glamour abgelöst, und viele Jüngere fühlen sich um "ihre Revolution" betrogen.

Jahrgang 1954, ist taz-Ressortleiterin für Sport, Wahrheit, Reise und Wissenschaft. Am liebsten schreibt sie über nachhaltiges Reisen und interkulturelle Themen.

In den vordersten Reihen

Doch was in den letzten Jahren nach der Revolution den Veränderungsprozess tatkräftig fortführte, war die Wachsamkeit und der Widerstand der Zivilgesellschaft. Frauen standen dabei in den ersten Reihen.

Wir haben deshalb zum taz.lab 2015 zwei Mitstreiterinnen aus der tunesischen Zivilgesellschaft eingeladen. Zwei Frauen, die sich nicht frustrieren lassen und die politische wie kulturelle Gegenbewegung zur Macht der alten Männer und Eliten verkörpern:

Die Physikerin Faouzia Charfi und die Aktivistin Amira Yahyaoui. Faouzia Charfi arbeitet an der Uni in Tunis. Sie hat das Buch "La science voilée" geschrieben, ein Plädoyer für die Autonomie des Denkens, das die historischen und aktuellen Beziehungen zwischen Islam und Wissenschaft thematisiert.

Amira Yahyaoui arbeitet in der "Assoziation Bawsala" (Kompass), die die Ausarbeitung der Verfassung begleitete und sich nun für Transparenz bei den Entscheidungsprozessen in den Kommunen und dem Verbleib der öffentlichen Gelder einsetzt.

Möglichkeiten im Umbruch

Wir wollen - trotz Politikverdrossenheit bei vielen jungen TunesierInnen - über neue Initiativen und Projekte sprechen. Aber auch über die kulturelle Leere, die sich auszubreiten droht, wenn sich die alten Kräfte wieder breitmachen.

"Wir müssen noch viel stärker mit unseren patriarchalen Traditionen brechen und die Autorität zwischen Jüngeren und Älteren in Frage stellen. Die junge Generation ist bei uns zu lange entmündigt worden", sagte Faouzia Charfi jüngst im taz-Interview.

 EDITH KRESTA