Proteste weltweit: Wo bleibt die Wut?

Die halbe Welt scheint in Aufruhr, nur in Deutschland ist alles still: kaum Protest. Geht es den Menschen in Deutschland einfach zu gut?

Kitschiges Protestritual: 1. Mai in Berlin Bild: dpa

Am 25. Januar 2011 besetzten tausende Demonstranten den Tahrirplatz im Herzen Kairos. Er wurde weltweit zum Symbol eines neuen Aufstands. Man nannte es Arabellion.

Am 15. Mai 2011 gingen in Spanien in 58 Städten zehntausende Menschen auf die Straßen, besetzten die Puerta del Sol in Madrid, skandierten: „Echte Demokratie jetzt!“ Man nannte sie die „Empörten“.

Am 17. September 2011 stürmten Globalisierungskritiker in New York den Zuccotti Park. Sie nannten sich Occupy Wall Street.

Wer sind wir - und wenn ja wozu? Bange Fragen bei den Grünen nach der Bundestagswahl. Wie es dort jetzt weitergeht, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 28./29. September 2013 . Außerdem: Woodstock-Feeling: Das Womad-Festival im Kaukasus. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Sie alle gingen auf die Straße, besetzten Plätze, protestierten spontan. Ermutigte AktivistInnen und schlagkräftige Kollektive. Die Meldungen aus den Metropolen der Welt reißen bis heute nicht ab.

Nur in Deutschland ist davon wenig zu spüren.

Wenn aus Berlin Nachtbilder zu sehen sind von dunklen Straßenzügen, hell erleuchtet von Feuern und Funken, dann sind es entweder Fotos eines kitschigen Rituals in Berlin-Kreuzberg am 1. Mai, das bereits am 2. Mai wieder vorbei ist. Oder es sind Fotos von Schienenreparaturen, von Schweißarbeiten am Straßenbahnnetz.

Warum ist das so? Warum ist deutscher Protest so organisiert, so geordnet? Warum fehlt die Aufbruchstimmung in Deutschland?

Alles was es gibt, sind Strategien.

Plena, Gesprächsrunden, Telefonkonferenzen. Es gibt Hunderte Kleingruppen, Vereine und Verbände. Es gibt Kletteraktivisten und Ankettaktivistinnen und Bauern, die mit ihren Treckern Straßen blockieren. Es gibt Bewegungsprofis, die dafür bezahlt werden, Internetkampagnen zu entwerfen, und es gibt Wissenschaftler, die dazu forschen. Es gibt eine Demonstration hier und eine Protestaktion da und Hunderte von Petitionen im Internet.

In Deutschland gibt es ein Wort für diese Aktivistenszene, die irgendwie zusammengehört, aber ganz sicher auch irgendwie nicht: Mosaiklinke.

Ihre Stärke ist: Sie besteht aus vielen. Ihre Schwäche ist: Es fehlt ihr an einer gemeinsamen Utopie. An etwas, das man anfassen und umwerfen kann.

Warum, glauben Sie, gehen in Deutschland so wenige Menschen auf die Straße? Geht es ihnen einfach zu gut? Was ist Ihre Meinung? Diskutieren Sie mit!

Die Ganze Geschichte „Herr Shahyar sucht die Revolution“ lesen sie in der taz.am wochenende vom 28./29. September 2013. Wir begleiten den Aktivisten Pedram Shahyar nach Kairo, Istanbul und Hanau.

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